Pfändbarkeit der Ansprüche gegen das Versorgungswerk
BGH v. 5.7.2023 - VII ZB 3/20Der Gläubiger betreibt gegen H. W. (nachfolgend: Schuldner) auf Grund titulierter Zahlungsansprüche die Zwangsvollstreckung. Der Schuldner ist als Architekt Mitglied des Versorgungswerks der Architektenkammer Baden-Württemberg (im Folgenden: Drittschuldner) und erreichte vor dem 1.9.2015 die in der Satzung des Drittschuldners (im Folgenden: Satzung AK BW) definierte Regelaltersgrenze für den Bezug von Altersruhegeld.
Der Schuldner war mit Verbindlichkeiten iHv über 240.000 € belastet. Seine Ansprüche aus der Versorgungskasse seiner Architektenkammer wurden bereits iHv ca. 180.000 € gepfändet. Dann ließ ein weiterer Gläubiger das Ruhegeld iHv ca. 60.000 € pfänden.
Einen Antrag auf Gewährung einer Altersruhegeldrente hat der Schuldner bei dem Drittschuldner bisher nicht gestellt. Diesen Antrag stellte sodann der Gläubiger im Rahmen der Pfändung und beanspruchte auch rückwirkend die bereits entstandenen Ansprüche auf Ruhegeld.
Der Insolvenzverwalter des Schuldners wehrte sich erfolglos vor AG und LG gegen diese Pfändung. Auch die Rechtsbeschwerde vor dem BGH hatte nur geringen Erfolg.
Die Gründe:
Die Rechtsbeschwerde beanstandet erfolglos, dass die ausgesprochene Pfändung von Altersruhegeldansprüchen des Schuldners gegen den Drittschuldner unzulässig sei, da der Gläubiger angesichts vorrangiger Pfändungen der Versorgungsansprüche keine Zahlungen zu erwarten habe.
Zwar hat nach § 803 Abs. 2 ZPO hat eine Pfändung zu unterbleiben, wenn sich von der Verwertung der zu pfändenden Gegenstände ein Überschuss über die Kosten der Zwangsvollstreckung nicht erwarten lässt.
Hingegen kann die Zwecklosigkeit einer Pfändung nicht allein deswegen bejaht werden, weil das zu pfändende Vermögensrecht Gegenstand vorrangiger Pfändungen ist und zunächst keine Aussicht auf einen die Vollstreckungskosten übersteigenden Erlös besteht. Denn weder in dem Verfahren auf Erlass eines Pfändungsbeschlusses noch in dem sich gegebenenfalls anschließenden Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren kann zuverlässig beurteilt werden, ob die vorrangig ausgebrachten Pfändungspfandrechte in Wegfall geraten, weil beispielsweise die bevorrechtigten Gläubiger infolge anderweitiger Sicherung oder auf sonstige Weise befriedigt werden oder auf die Pfändung verzichten (§ 843 ZPO).
Der Pfändung der Ansprüche auf Altersruhegeld steht ein Pfändungsverbot nach § 851 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 36 Abs. 1 Satzung AK BW nicht entgegen.
Zwar ist nach § 851 Abs. 1 ZPO eine Forderung in Ermangelung besonderer Vorschriften der Pfändung nur insoweit unterworfen, als sie übertragbar ist. § 36 Abs. 1 Satzung AK BW bestimmt, dass Ansprüche aus dem Versorgungsverhältnis, und damit auch die Ansprüche auf Zahlung von Altersruhegeld (§ 25 Abs. 1 Nr. 2, § 27 Satzung AK BW), nicht übertragen werden können.
§ 851 Abs. 1 ZPO bedarf indes im Zusammenspiel mit § 36 Abs. 1 Satzung AK BW einer verfassungskonformen einschränkenden Auslegung dahin, dass diese Ansprüche zumindest wie Arbeitseinkommen gemäß §§ 850a ff. ZPO pfändbar sind, um dem nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Befriedigungsrecht eines Gläubigers Rechnung zu tragen.
Die Vollstreckung in den "Anspruch auf Zahlung der Altersrente für die Vergangenheit (rückwirkend zum 1.9.2015)" hält einer rechtlichen Überprüfung nur insoweit nicht stand, als die Pfändung "ohne Abzug der für die Pfändung von Arbeitseinkommen geltenden Freigrenzen nach den Vorschriften der §§ 850 ff. ZPO in Verbindung mit der Tabelle zu § 850c Abs. 3 ZPO" erfolgt ist.
Mehr zum Thema:
Rechtsprechung:
Pfändung von Ansprüchen gegen Anwaltsversorgungswerk
BGH vom 25.8.2004 - IXA ZB 271/03
MDR 2005, 236
Rechtsprechung:
Pfändbarkeit von Ansprüchen gg. die Versorgungsanstalt deutscher Bezirksschornsteinfegermeister
BGH vom 28.3.2007 - VII ZB 43/06
MDR 2007, 907
Beratermodul Zöller Zivilprozessrecht:
Die perfekte Basisausstattung zum Zivilprozessrecht finden Praktiker in diesem Modul. Mit neuen Kommentierungen zu digitalen Themen und topaktuellen Annotationen zu Gesetzesänderungen und wichtiger neuer Rechtsprechung. 4 Wochen gratis nutzen!