20.11.2024

Pflicht zur Auskunft und Belegvorlage eines selbständigen Rechtsanwalts und Notars im eigenen Zugewinnausgleichsverfahren

Eine vom Auskunftspflichtigen (hier: Rechtsanwalt und Notar) erstellte Liste, in der zu einem Stichtag noch offene Forderungen ausgewiesen sind, ist Bestandteil der Auskunftsverpflichtung nach § 1379 Abs. 1 Satz 1 BGB und kein Beleg i.S.v. § 1379 Abs. 1 Satz 2 BGB. Auch wenn ein Notariat als solches nicht veräußerbar ist, stellen die diesem innewohnenden Gegenstände - wie bei einer Kanzlei oder einer Handelsvertretung - Vermögenswerte dar, die selbständig verwertbar sind. Es besteht kein Grund, ein Notariat insoweit anders zu behandeln als etwa eine freiberufliche Praxis.

BGH v. 25.9.2024 - XII ZB 508/23
Der Sachverhalt:
Die Beteiligten hatten im September 2010 geheiratet und sich sieben Jahre später wieder getrennt. Der Scheidungsantrag ist der Antragsgegnerin am 1.9.2018 zugestellt worden. Der Antragsteller ist selbständiger Rechtsanwalt. Seit 2014 ist er zudem als Notar tätig. Er hat 2018 und 2020 Auskunft über sein Anfangs- und Endvermögen erteilt sowie Belege vorgelegt. Die Antragsgegnerin begehrte vom Antragsteller die Erteilung weiterer Auskünfte und die Vorlage von Belegen.

Das AG hat den Antragsteller unter Zurückweisung der weitergehenden Anträge verpflichtet, die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG bezüglich seiner Kanzlei für das Jahr 2018 vorzulegen. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin hat das OLG den Beschluss teilweise abgeändert und den Antragsteller unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels verpflichtet, Auskunft über die offenen Forderungen, die am 1.9.2018 zu seinen Gunsten in der Kanzlei bestanden, und über den Sachwert des Notariats durch Angabe der wertbildenden Faktoren einschließlich der am 1.9.2018 offenen Forderungen des Notariats zu erteilen sowie die Auskünfte stichtagsbezogen durch Vorlage vollständiger Listen der offenen Forderungen zu belegen.

Die hiergegen zugelassene Rechtsbeschwerde des Antragstellers blieb vor dem BGH erfolglos.

Gründe:
Eine Rechtsanwaltskanzlei unterfällt wie jede andere freiberufliche Praxis dem Zugewinnausgleich. Bei der Ermittlung des insoweit anzusetzenden Werts einer solchen Praxis ist nach der Rechtsprechung des Senats über den Substanzwert der Praxis hinaus auch der übertragbare Teil ihres ideellen Werts (Goodwill) zu berücksichtigen. Sollte im Einzelfall aber kein Goodwill anzusetzen sein, ist der zum Stichtag zu ermittelnde Wert jedenfalls mit dem in diesem Zeitpunkt vorhandenen Substanzwert, also mit dem Wert zu bemessen, der im Falle eines Praxisverkaufs auf den Rechtsnachfolger übergeht.

Der Substanz- bzw. Sachwert besteht aus der Summe der zu der freiberuflichen Praxis gehörenden Wirtschaftsgüter. Dazu zählen die betriebsnotwendigen Gegenstände, wie etwa die Büroeinrichtung, eine Bibliothek oder Bürogeräte. Zum Sachwert gehören aber auch die Außenstände einer Praxis, also die Forderungen für bereits geleistete Arbeiten. Auch das vom Beschwerdegericht als (vermeintliche) Gegenauffassung angeführte Schrifttum hält die offenen Forderungen bei der Ermittlung des Praxiswerts nicht für bedeutungslos. Aus Rechtsgründen ebenfalls nicht zu beanstanden war die Auffassung des Beschwerdegerichts, die Auskunftspflicht des Antragstellers erstrecke sich auch auf die Sachwerte seines Notariats einschließlich der am 1.9.2018 noch offenen Forderungen.

Ob ein Notariat einen ideellen Wert haben kann, wird in der Literatur unterschiedlich beurteilt. Welche Auffassung zutreffend ist, bedurfte vorliegend keiner Entscheidung, weil das Beschwerdegericht der Antragsgegnerin nur hinsichtlich der Sachwerte (Einrichtungsgegenstände, IT-Ausstattung etc.) einschließlich der am 1.9.2018 noch offenen Forderungen des Notariats einen Auskunftsanspruch zugesprochen hatte. Jedenfalls insoweit bestand eine Auskunftsverpflichtung des nach § 1379 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB. Denn auch wenn ein Notariat als solches nicht veräußerbar ist, stellen die diesem innewohnenden Gegenstände - wie bei einer Kanzlei oder einer Handelsvertretung - Vermögenswerte dar, die selbständig verwertbar sind. Es besteht kein Grund, ein Notariat insoweit anders zu behandeln als etwa eine freiberufliche Praxis.

Eine vom Auskunftspflichtigen erstellte Liste, in der zu einem Stichtag noch offene Forderungen ausgewiesen sind, ist Bestandteil der Auskunftsverpflichtung nach § 1379 Abs. 1 Satz 1 BGB und kein Beleg i.S.v. § 1379 Abs. 1 Satz 2 BGB. Eine Pflicht zur Erstellung von Belegen, die über die bloße Reproduktion bereits existierender Unterlagen - etwa durch Ausdruck - hinausgeht und wie etwa bei einem Jahresabschluss eine eigene schöpferische Leistung erfordert, besteht nicht. Die vom Antragsteller geforderte Liste besitzt keine Aussagekraft in Bezug auf die Richtigkeit der erteilten Auskunft und des Nennwerts der jeweiligen Forderung. Sie stellt daher - anders als etwa eine dem Schuldner ausgestellte Rechnung über die Rechtsanwalts- oder Notargebühren -keinen Beleg i.S.v. § 1379 Abs. 1 Satz 2 BGB dar. Somit hat das Beschwerdegericht den Antragsteller nicht zur Vorlage (nicht existenter) Belege, sondern schlicht zur Erstellung eines Verzeichnisses über die am Stichtag noch offenen Forderung verpflichtet.

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