Recht auf Mietminderung kann mit der Zeit auch rückwirkend entfallen
AG Hamburg v. 24.2.2022 - 48 C 242/20
Der Sachverhalt:
Der Beklagte ist seit 2013 Mieter einer Wohnung der Klägerin in einem Mehrfamilienhaus in Hamburg, Ab Februar 2016 zahlte der Beklagte von der Bruttomonatsmiete i.H.v. 4.150 € einen um monatlich 330 € gekürzten Betrag. Ab Mai 2018 betrug die Bruttomonatsmiete 4.250 € von der der Beklagte einen um monatlich 338 € gekürzten Betrag entrichtete.
Die Gesamtwohnfläche der Wohnung beträgt 215 m². Von der Straßenseite aus betrachtet links vorne befindet sich ein Zimmer mit einer Größe von ca. 12 m². Erstmals im Dezember 2015 zeigte der Beklagte gegenüber der Klägerin "Feuchtigkeit an der Decke (u.a. erste braune Flecken)" an. Im Januar 2016 gab der Beklagte zudem als Grund für die Minderung einen muffigen, feuchten Geruch an. Jedenfalls bis Dezember 2018 erfolgten keine diesbezüglichen Behebungs- oder Instandsetzungsmaßnahmen.
Die Klägerin ist der Auffassung, die geltend gemachte Minderung sei unberechtigt, weil durch den Zustand des streitgegenständlichen Zimmers jedenfalls keine erhebliche funktionelle Gebrauchsbeeinträchtigung gegeben sei. Dies ergebe sich zum einen aus der Geringfügigkeit behaupteter Mängelerscheinungen und zum anderen aus der größenmäßig untergeordneten Bedeutung des streitgegenständlichen Zimmers.
Das AG gab der Klage auf Zahlung der offenen Restmieten zu gut einem Drittel statt.
Die Gründe:
Der Klägerin stehen für Februar 2016 und den Zeitraum April 2016 bis einschließlich April 2018 offene Restmieten i.H.v. monatlich je 122,50 € sowie für den Zeitraum Mai 2018 bis einschließlich Dezember 2018 offene Restmieten i.H.v. monatlich je 125,50 € zu. Der Anspruch ergibt sich aus § 535 Abs. 2 BGB. Im Übrigen besteht ein Anspruch der Klägerin nicht.
Es steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass sich in dem streitgegenständlichen Zimmer während des gesamten streitgegenständlichen Zeitraums in einer Ecke der Decke im Bereich der Stuckverzierungen optisch deutlich wahrnehmbare Verfärbungen aufgrund von Feuchteeinwirkungen vorhanden waren, welche sich über eine für die optische Wahrnehmung signifikante Fläche erstreckten. Ebenso steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass in dem Raum ein unangenehmer bis übler Geruch herrschte, welcher bei geschlossenen Fenstern und Türen an Intensität zunahm und zuweilen sich in benachbarte Räume ausbreitete.
Der Mieter kann auch ohne entsprechende Beschaffenheitsvereinbarung erwarten, dass in den Wohnräumen nicht dauerhaft ein unangenehmer, muffiger Geruch herrscht, welcher bei objektivierender Betrachtung das Wohlbefinden beeinträchtigt. Ist nur ein einziges, im Verhältnis zur Gesamtfläche kleines Zimmer von Mangelerscheinungen betroffen, so ist bei der Beurteilung der Erheblichkeit nach § 536 Abs. 1 S. 3 BGB zu berücksichtigen, welche Bedeutung dem Zimmer aufgrund des Zuschnitts der Wohnung zukommt und in welches Preissegment die Wohnung einzuordnen ist. Insofern war im vorliegenden Fall eine Minderung der Bruttomonatsmiete um 5 % angemessen.
Dabei wurde berücksichtigt, dass unmittelbar nur ein kleines Zimmer betroffen ist, welchem allerdings eine eigenständige Bedeutung beizumessen ist. Der optische Mangel ist in einem dekorativ relevanten Bereich der Zimmerdecke vorhanden und stört die ästhetische Gesamterscheinung des Raumes. Ebenfalls berücksichtigt das Gericht den andauernden, mal zunehmend, mal abnehmend intensiven muffigen Geruch, der allerdings nicht stechend oder penetrant ist, angemessen bei der Bemessung der Quote.
Ein über den Minderungsbetrag hinausgehendes Zurückbehaltungsrecht steht dem Beklagten allerdings nicht zu. Denn das Leistungsverweigerungsrecht des Mieters wegen eines behebbaren Mangels entfällt rückwirkend, wenn aufgrund der verstrichenen Zeit (hier: mehr als 5 Jahre seit Mängelanzeige) nicht mehr zu erwarten ist, dass die Vermieterpartei ihrer Verpflichtung zur Mangelbeseitigung nachkommen wird und die Zurückbehaltung damit ihren Zweck verfehlt hat. Mit dem Wegfall des Leistungsverweigerungsrechts des Mieters wegen eines behebbaren Mangels werden die gesamten zunächst zu Recht einbehaltenen Beträge grundsätzlich sofort zur Zahlung fällig.
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Landesrecht Hamburg
Der Beklagte ist seit 2013 Mieter einer Wohnung der Klägerin in einem Mehrfamilienhaus in Hamburg, Ab Februar 2016 zahlte der Beklagte von der Bruttomonatsmiete i.H.v. 4.150 € einen um monatlich 330 € gekürzten Betrag. Ab Mai 2018 betrug die Bruttomonatsmiete 4.250 € von der der Beklagte einen um monatlich 338 € gekürzten Betrag entrichtete.
Die Gesamtwohnfläche der Wohnung beträgt 215 m². Von der Straßenseite aus betrachtet links vorne befindet sich ein Zimmer mit einer Größe von ca. 12 m². Erstmals im Dezember 2015 zeigte der Beklagte gegenüber der Klägerin "Feuchtigkeit an der Decke (u.a. erste braune Flecken)" an. Im Januar 2016 gab der Beklagte zudem als Grund für die Minderung einen muffigen, feuchten Geruch an. Jedenfalls bis Dezember 2018 erfolgten keine diesbezüglichen Behebungs- oder Instandsetzungsmaßnahmen.
Die Klägerin ist der Auffassung, die geltend gemachte Minderung sei unberechtigt, weil durch den Zustand des streitgegenständlichen Zimmers jedenfalls keine erhebliche funktionelle Gebrauchsbeeinträchtigung gegeben sei. Dies ergebe sich zum einen aus der Geringfügigkeit behaupteter Mängelerscheinungen und zum anderen aus der größenmäßig untergeordneten Bedeutung des streitgegenständlichen Zimmers.
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Es steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass sich in dem streitgegenständlichen Zimmer während des gesamten streitgegenständlichen Zeitraums in einer Ecke der Decke im Bereich der Stuckverzierungen optisch deutlich wahrnehmbare Verfärbungen aufgrund von Feuchteeinwirkungen vorhanden waren, welche sich über eine für die optische Wahrnehmung signifikante Fläche erstreckten. Ebenso steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass in dem Raum ein unangenehmer bis übler Geruch herrschte, welcher bei geschlossenen Fenstern und Türen an Intensität zunahm und zuweilen sich in benachbarte Räume ausbreitete.
Der Mieter kann auch ohne entsprechende Beschaffenheitsvereinbarung erwarten, dass in den Wohnräumen nicht dauerhaft ein unangenehmer, muffiger Geruch herrscht, welcher bei objektivierender Betrachtung das Wohlbefinden beeinträchtigt. Ist nur ein einziges, im Verhältnis zur Gesamtfläche kleines Zimmer von Mangelerscheinungen betroffen, so ist bei der Beurteilung der Erheblichkeit nach § 536 Abs. 1 S. 3 BGB zu berücksichtigen, welche Bedeutung dem Zimmer aufgrund des Zuschnitts der Wohnung zukommt und in welches Preissegment die Wohnung einzuordnen ist. Insofern war im vorliegenden Fall eine Minderung der Bruttomonatsmiete um 5 % angemessen.
Dabei wurde berücksichtigt, dass unmittelbar nur ein kleines Zimmer betroffen ist, welchem allerdings eine eigenständige Bedeutung beizumessen ist. Der optische Mangel ist in einem dekorativ relevanten Bereich der Zimmerdecke vorhanden und stört die ästhetische Gesamterscheinung des Raumes. Ebenfalls berücksichtigt das Gericht den andauernden, mal zunehmend, mal abnehmend intensiven muffigen Geruch, der allerdings nicht stechend oder penetrant ist, angemessen bei der Bemessung der Quote.
Ein über den Minderungsbetrag hinausgehendes Zurückbehaltungsrecht steht dem Beklagten allerdings nicht zu. Denn das Leistungsverweigerungsrecht des Mieters wegen eines behebbaren Mangels entfällt rückwirkend, wenn aufgrund der verstrichenen Zeit (hier: mehr als 5 Jahre seit Mängelanzeige) nicht mehr zu erwarten ist, dass die Vermieterpartei ihrer Verpflichtung zur Mangelbeseitigung nachkommen wird und die Zurückbehaltung damit ihren Zweck verfehlt hat. Mit dem Wegfall des Leistungsverweigerungsrechts des Mieters wegen eines behebbaren Mangels werden die gesamten zunächst zu Recht einbehaltenen Beträge grundsätzlich sofort zur Zahlung fällig.
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