Schließung der Fitnessstudios im Lockdown: Ansprüche der Mitglieder auf Beitragsrückerstattung
LG Bamberg v. 31.3.2023 - 44 O 145/21
Der Sachverhalt:
Die Klägerin macht aus abgetretenem Recht Ansprüche von Fitnessstudiomitgliedern auf Beitragsrückerstattung gegen die Beklagte infolge pandemiebedingter Schließungen von Fitnessstudios geltend. Jedenfalls zumindest in der Zeit von 15.3.2020 - 15.5.2020 und von 1.11.2020 - 31.1.2021 kam es - mit einzelnen zeitlichen Abweichungen je nach Bundesland - bundesweit zu einem pandemiebedingten Lockdown, in dem auch sämtliche Fitnessstudios schließen mussten. Die Beklagte wandte ein, es habe nur vorübergehende Unmöglichkeit vorgelegen. Außerdem liege ein Wegfall oder eine Störung der Geschäftsgrundlage vor.
Das LG gab der Klage weitgehend statt.
Die Gründe:
Hauptleistungspflicht des Betreibers eines Fitnessstudios ist es, seinen Kunden innerhalb der Öffnungszeiten die Nutzungsmöglichkeit an den Gerätschaften des Studios einzuräumen. Im Gegenzug schuldet der Kunde synallagmatisch die Bezahlung des vereinbarten Nutzungsentgelts. Wird die Erfüllbarkeit dieser Hauptleistungspflicht durch pandemiebedingte Schließungen in Wegfall gebracht, folgt hieraus ohne Weiteres rechtliche Unmöglichkeit.
Auch ist kein Fall nur vorübergehender Unmöglichkeit gegeben. Zwar musste die Beklagte das Fitnessstudio im Hinblick auf die zeitliche Befristung der Corona-Schutzmaßnahmen lediglich vorübergehend schließen. Ein nur zeitweiliges Erfüllungshindernis ist aber dann einem dauernden gleichzustellen, wenn durch das Hindernis die Erreichung des Vertragszwecks infrage gestellt ist und der einen oder anderen Partei bei billiger Abwägung der beiderseitigen Belange nicht mehr zugemutet werden könnte, die Leistung dann noch zu fordern oder zu erbringen. Dabei ist die Frage, ob ein Leistungshindernis zu einer dauernden oder nur vorübergehenden Unmöglichkeit führt, nach dem Zeitpunkt des Eintritts des Hindernisses zu beurteilen.
Wird wie im vorliegenden Fall für einen Fitnessstudiovertrag eine mehrmonatige feste Vertragslaufzeit gegen Zahlung eines monatlich fällig werdenden Entgelts vereinbart, schuldet der Betreiber des Fitnessstudios seinem Vertragspartner die Möglichkeit, fortlaufend das Studio zu betreten und die Trainingsgeräte zu nutzen. Der Zweck eines Fitnessstudiovertrags liegt in der regelmäßigen sportlichen Betätigung und damit entweder in der Erreichung bestimmter Fitnessziele oder zumindest der Erhaltung von Fitness und körperlicher Gesundheit. Aufgrund dessen sind für den Vertragspartner gerade die regelmäßige und ganzjährige Öffnung und Nutzbarkeit des Studios von entscheidender Bedeutung.
Kann der Betreiber des Fitnessstudios während der vereinbarten Vertragslaufzeit dem Vertragspartner zeitweise die Nutzungsmöglichkeit des Studios nicht gewähren, etwa weil er wie hier das Fitnessstudio aufgrund der hoheitlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie schließen muss, kann dieser Vertragszweck für den Zeitraum der Schließung nicht erreicht werden. Die von dem Betreiber geschuldete Leistung ist deshalb wegen Zeitablaufs nicht mehr nachholbar (vgl. BGH v. 4.5.2022 - XII ZR 64/21).
Auch ist ein Wegfall oder eine Störung der Geschäftsgrundlage und eine hieraus folgende Pflicht zur Vertragsanpassung nicht gegeben. § 313 BGB findet vorliegend keine Anwendung.
Eine Anpassung vertraglicher Verpflichtungen an die tatsächlichen Umstände kommt grundsätzlich dann nicht in Betracht, wenn das Gesetz in den Vorschriften über die Unmöglichkeit der Leistung die Folge der Vertragsstörung bestimmt. Die von der Beklagten begehrte Anpassung des Vertrags wäre im Ergebnis nicht darauf ausgerichtet, den Vertragsinhalt den veränderten Umständen aufgrund der Covid-19-Pandemie anzupassen, sondern darauf, die für sie wirtschaftlich nachteiligen Folgen der gesetzlichen Regelungen zur Unmöglichkeit zu korrigieren. Dies ist jedoch nicht der Zweck der Regelung zur Störung der Geschäftsgrundlage.
Ein Anspruch der Beklagten auf die begehrte Vertragsanpassung scheidet auch deshalb aus, weil mit Art. 240 § 5 II EGBGB eine speziellere Vorschrift besteht, die im Rahmen ihres Anwendungsbereichs die Folgen der Unmöglichkeit modifiziert und im vorliegenden Fall einem Rückgriff auf die allgemeinen Grundsätze zur Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage entgegensteht.
Bei der durch Art. 1 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Veranstaltungsrecht mit Wirkung vom 20.5.2020 eingeführten Vorschrift des Art. 240 § 5 EGBGB handelt es sich um eine solche spezialgesetzliche Regelung, die die gesetzlichen Rechtsfolgen der Unmöglichkeit modifiziert und in ihrem Geltungsbereich die Anwendung des § 313 BGB ausschließt.
Könnte der Betreiber einer Freizeiteinrichtung nach § 313 I BGB von seinem Kunden verlangen, dass die Zeit einer Betriebsschließung an die vertraglich vereinbarte Vertragslaufzeit angehängt wird, würde das vom Gesetzgeber mit der Gutscheinlösung verfolgte Regelungskonzept umgangen. Danach scheidet ein Anspruch der Beklagten auf Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage auch deshalb aus, weil vorliegend die Tatbestandsvoraussetzungen des vorrangig anwendbaren Art. 240 § 5 II EGBGB erfüllt sind.
Auch im vorliegenden Fall sind überdies die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 240 § 5 Abs. 2 EGBGB erfüllt. Soweit eine Musik-, Kultur-, Sport- oder sonstige Freizeiteinrichtung aufgrund der COVID-19-Pandemie zu schließen war oder ist, ist der Betreiber berechtigt, dem Inhaber einer vor dem 8. März 2020 erworbenen Nutzungsberechtigung anstelle einer Erstattung des Entgelts einen Gutschein zu übergeben, Art. 240 § 5 Abs. 2 EGBGB.
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Die Klägerin macht aus abgetretenem Recht Ansprüche von Fitnessstudiomitgliedern auf Beitragsrückerstattung gegen die Beklagte infolge pandemiebedingter Schließungen von Fitnessstudios geltend. Jedenfalls zumindest in der Zeit von 15.3.2020 - 15.5.2020 und von 1.11.2020 - 31.1.2021 kam es - mit einzelnen zeitlichen Abweichungen je nach Bundesland - bundesweit zu einem pandemiebedingten Lockdown, in dem auch sämtliche Fitnessstudios schließen mussten. Die Beklagte wandte ein, es habe nur vorübergehende Unmöglichkeit vorgelegen. Außerdem liege ein Wegfall oder eine Störung der Geschäftsgrundlage vor.
Das LG gab der Klage weitgehend statt.
Die Gründe:
Hauptleistungspflicht des Betreibers eines Fitnessstudios ist es, seinen Kunden innerhalb der Öffnungszeiten die Nutzungsmöglichkeit an den Gerätschaften des Studios einzuräumen. Im Gegenzug schuldet der Kunde synallagmatisch die Bezahlung des vereinbarten Nutzungsentgelts. Wird die Erfüllbarkeit dieser Hauptleistungspflicht durch pandemiebedingte Schließungen in Wegfall gebracht, folgt hieraus ohne Weiteres rechtliche Unmöglichkeit.
Auch ist kein Fall nur vorübergehender Unmöglichkeit gegeben. Zwar musste die Beklagte das Fitnessstudio im Hinblick auf die zeitliche Befristung der Corona-Schutzmaßnahmen lediglich vorübergehend schließen. Ein nur zeitweiliges Erfüllungshindernis ist aber dann einem dauernden gleichzustellen, wenn durch das Hindernis die Erreichung des Vertragszwecks infrage gestellt ist und der einen oder anderen Partei bei billiger Abwägung der beiderseitigen Belange nicht mehr zugemutet werden könnte, die Leistung dann noch zu fordern oder zu erbringen. Dabei ist die Frage, ob ein Leistungshindernis zu einer dauernden oder nur vorübergehenden Unmöglichkeit führt, nach dem Zeitpunkt des Eintritts des Hindernisses zu beurteilen.
Wird wie im vorliegenden Fall für einen Fitnessstudiovertrag eine mehrmonatige feste Vertragslaufzeit gegen Zahlung eines monatlich fällig werdenden Entgelts vereinbart, schuldet der Betreiber des Fitnessstudios seinem Vertragspartner die Möglichkeit, fortlaufend das Studio zu betreten und die Trainingsgeräte zu nutzen. Der Zweck eines Fitnessstudiovertrags liegt in der regelmäßigen sportlichen Betätigung und damit entweder in der Erreichung bestimmter Fitnessziele oder zumindest der Erhaltung von Fitness und körperlicher Gesundheit. Aufgrund dessen sind für den Vertragspartner gerade die regelmäßige und ganzjährige Öffnung und Nutzbarkeit des Studios von entscheidender Bedeutung.
Kann der Betreiber des Fitnessstudios während der vereinbarten Vertragslaufzeit dem Vertragspartner zeitweise die Nutzungsmöglichkeit des Studios nicht gewähren, etwa weil er wie hier das Fitnessstudio aufgrund der hoheitlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie schließen muss, kann dieser Vertragszweck für den Zeitraum der Schließung nicht erreicht werden. Die von dem Betreiber geschuldete Leistung ist deshalb wegen Zeitablaufs nicht mehr nachholbar (vgl. BGH v. 4.5.2022 - XII ZR 64/21).
Auch ist ein Wegfall oder eine Störung der Geschäftsgrundlage und eine hieraus folgende Pflicht zur Vertragsanpassung nicht gegeben. § 313 BGB findet vorliegend keine Anwendung.
Eine Anpassung vertraglicher Verpflichtungen an die tatsächlichen Umstände kommt grundsätzlich dann nicht in Betracht, wenn das Gesetz in den Vorschriften über die Unmöglichkeit der Leistung die Folge der Vertragsstörung bestimmt. Die von der Beklagten begehrte Anpassung des Vertrags wäre im Ergebnis nicht darauf ausgerichtet, den Vertragsinhalt den veränderten Umständen aufgrund der Covid-19-Pandemie anzupassen, sondern darauf, die für sie wirtschaftlich nachteiligen Folgen der gesetzlichen Regelungen zur Unmöglichkeit zu korrigieren. Dies ist jedoch nicht der Zweck der Regelung zur Störung der Geschäftsgrundlage.
Ein Anspruch der Beklagten auf die begehrte Vertragsanpassung scheidet auch deshalb aus, weil mit Art. 240 § 5 II EGBGB eine speziellere Vorschrift besteht, die im Rahmen ihres Anwendungsbereichs die Folgen der Unmöglichkeit modifiziert und im vorliegenden Fall einem Rückgriff auf die allgemeinen Grundsätze zur Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage entgegensteht.
Bei der durch Art. 1 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Veranstaltungsrecht mit Wirkung vom 20.5.2020 eingeführten Vorschrift des Art. 240 § 5 EGBGB handelt es sich um eine solche spezialgesetzliche Regelung, die die gesetzlichen Rechtsfolgen der Unmöglichkeit modifiziert und in ihrem Geltungsbereich die Anwendung des § 313 BGB ausschließt.
Könnte der Betreiber einer Freizeiteinrichtung nach § 313 I BGB von seinem Kunden verlangen, dass die Zeit einer Betriebsschließung an die vertraglich vereinbarte Vertragslaufzeit angehängt wird, würde das vom Gesetzgeber mit der Gutscheinlösung verfolgte Regelungskonzept umgangen. Danach scheidet ein Anspruch der Beklagten auf Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage auch deshalb aus, weil vorliegend die Tatbestandsvoraussetzungen des vorrangig anwendbaren Art. 240 § 5 II EGBGB erfüllt sind.
Auch im vorliegenden Fall sind überdies die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 240 § 5 Abs. 2 EGBGB erfüllt. Soweit eine Musik-, Kultur-, Sport- oder sonstige Freizeiteinrichtung aufgrund der COVID-19-Pandemie zu schließen war oder ist, ist der Betreiber berechtigt, dem Inhaber einer vor dem 8. März 2020 erworbenen Nutzungsberechtigung anstelle einer Erstattung des Entgelts einen Gutschein zu übergeben, Art. 240 § 5 Abs. 2 EGBGB.
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