03.07.2024

Schwierigkeiten bei Erreichbarkeit des Kindesvaters rechtfertigen noch keine Aufhebung der elterlichen Sorge

Die elterliche Sorge ist nicht nur ein verfassungsrechtlich geschütztes Recht der Kindeseltern, sondern auch eine ihnen vom Gesetz auferlegte Verpflichtung zum Wohle des Kindes. Deshalb ist auch eine Aufhebung dieser elterlichen Sorge nur unter engen Voraussetzungen möglich. Allein gewisse Schwierigkeiten, den Kindesvater zu erreichen, begründen noch keine hinreichende Erfolgsaussicht i.S.v. § 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 114 Abs. 1 ZPO für einen Antrag nach § 1671 BGB.

OLG Hamm v. 12.3.2024 - 4 WF 15/24
Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin ist seit 2019 mit dem Antragsgegner verheiratet, beide leben jedoch in Scheidung. Sie üben die elterliche Sorge für das 2017 geborene Kind M. gemeinsam aus. Die Antragstellerin war der Ansicht, es sei kindeswohldienlich, die elterliche Sorge auf sie zu übertragen. Der Antragsgegner sei drogenabhängig. Schon mehrfach habe er Therapien begonnen, aber stets erfolglos abgebrochen. Seine immer wieder stattfindenden stationären Klinikaufenthalte machten es für die Antragstellerin schwierig, diesen bei anstehenden Entscheidungen bezüglich M. zu erreichen. Der Antragsgegner pflege auch kaum mehr Umgang mit seinem Kind. Deshalb sollte der Kindesmutter die Möglichkeit gegeben werden, über sorgerechtliche Belange ohne Zustimmung des Antragsgegners entscheiden zu können.

Das AG hat darauf hingewiesen, dass allein Schwierigkeiten bei der Kontaktaufnahme mit dem Antragsgegner den Entzug der elterlichen Sorge nicht rechtfertigen würden. Die Antragstellerin wies auf einen neuerlichen Klinikaufenthalt des Antragsgegners wegen eines vorgenommenen Suizidversuchs hin. Sodann hat das AG durch den angefochtenen Beschluss die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Rechtsverfolgung sei bereits mutwillig. In Umgangs- und Sorgeverfahren seien vor Anrufung des Gerichts die Beratungsmöglichkeiten des Jugendamtes zu nutzen.

Das OLG hat die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen.

Die Gründe:
Der Senat konnte offenlassen, inwieweit die Rechtsverfolgung hier entsprechend der Auffassung des AG womöglich sogar mutwillig war. Die Voraussetzungen für eine Übertragung der elterlichen Sorge auf die Antragstellerin nach § 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB waren nämlich nicht dargelegt.

Die elterliche Sorge ist nicht nur ein verfassungsrechtlich geschütztes Recht der Kindeseltern, sondern auch eine ihnen vom Gesetz auferlegte Verpflichtung zum Wohle des Kindes. Deshalb ist auch eine Aufhebung dieser elterlichen Sorge nur unter engen Voraussetzungen möglich. Sie kommt insbesondere dann in Betracht, wenn bei den Kindeseltern ein Mindestmaß an Übereinstimmung in sorgerechtlichen Angelegenheiten fehlt und es ihnen derart an einer Kooperations- und/oder Kommunikationsfähigkeit fehlt, dass die zum Wohle des Kindes nötigen Entscheidungen nicht mehr sachgerecht getroffen werden können.

Soweit die Rechtsprechung auf dieser Grundlage eine Verpflichtung der Eltern zur Konsensfindung annimmt, solange ihnen dies zum Wohle des Kindes zumutbar ist (vgl. z.B. OLG Hamm, Beschl. v. 23.3.2006 - 4 UF 294/05, FamRZ 2006, 1058), ist das zwar auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass sich eine elterliche Gemeinsamkeit in der Realität nicht verordnen lasse (BGH, Beschl. v. 12.12.2007 - XII ZB 158/05, FamRZ 2008, 592 Rn. 14). Dessen ungeachtet genügt es aber für einen Entzug der elterlichen Sorge jedenfalls nicht, dass ein Elternteil schwer zu erreichen ist, er aber den anderen Teil in sorgerechtlichen Angelegenheiten gewähren lässt. Ganz offenkundig lässt der Antragsgegner die Antragstellerin, was sorgerechtliche Entscheidungen für M. angeht, uneingeschränkt gewähren. Dies genügt aber für einen Entzug der elterlichen Sorge nicht.

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