Sohn enterbt: Dennoch Pflichtteil für Enkelkind
OLG Hamm 26.10.2017, 10 U 31/17Im Oktober 2011 verstarb der seinerzeit 72 Jahre Erblasser. Er hinterließ einen Nachlass und eine Lebensversicherung im Wert von zusammen rd. 1,85 Mio. €. Der Erblasser hatte zwei Söhne. Der Ältere verstarb kinderlos im Jahre 1990 im Alter von 28 Jahren. Der Jüngere, heute 53 Jahre alt, ist - nach im Prozess vorgelegter Geburtsurkunde - der Vater des heute 21 Jahre alten Klägers. Beide Söhne hatte der Erblasser in einem im Jahre 1989 errichteten Testament enterbt und zur Begründung auf ihre Rauschgiftsucht und begangene Straftaten hingewiesen, u.a. eine vom jüngeren Sohn gegen ihn verübte Körperverletzung. Zu Erben bestimmte der Erblasser in dem Testament seine damalige Lebensgefährtin sowie seinen Bruder, den heute 79 Jahre alten Beklagten.
Nach dem Tode des Erblassers teilten die Erben den Nachlass unter sich auf. Im Jahre 2014 machte der Kläger Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche i.H.v. rd. 930.000 € gegen den Beklagten und die Lebensgefährtin des Erblassers geltend. Hierzu trug er vor, Enkel des Erblassers zu sein, so dass ihm als - allein verbliebenen - gesetzlichen Erben die Hälfte des Nachlasses als Pflichtteil zustehe. Die Erben bestreiten u.a. die Vaterschaft des enterbten Sohnes und halten allein die vom Kläger vorgelegte Geburtsurkunde für keinen ausreichenden Nachweis. Außerdem machen sie geltend, dass sie den Nachlass verbraucht bzw. weitergegeben hätten.
Das LG gab der Klage im Wesentlichen statt und verurteilte die Lebensgefährtin des Erblassers sowie den Beklagten dazu, an den Kläger auf den ihm zustehenden Pflichtteil nebst Pflichtteilsergänzung insgesamt rd. 930.000 € zu zahlen. Die Lebensgefährtin des Erblassers hat ihre Verurteilung nicht angefochten. Die Berufung des Beklagten hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Die Gründe:
Der Kläger ist pflichtteilsberechtigt.
Er hat nachgewiesen, dass er der Sohn des jüngeren Sohnes des Erblassers und damit dessen Enkel sei. Grundlage der Pflichtteilsberechtigung ist - wie beim gesetzlichen Erbrecht - die rechtliche Abstammung des Klägers von seinem Vater. Diese konnte der Kläger durch die im Original vorgelegte Geburtsurkunde nachweisen. Nach dem Inhalt der Urkunde ist der Kläger das Kind des jüngeren Sohns des Erblassers. Dass der Kläger ein nichteheliches Kind ist, ist rechtlich unerheblich. Eine Unrichtigkeit dieser Geburtsurkunde hat der Beklagte zu beweisen. Dies ist ihm jedoch nicht gelungen. Ob der Kläger auch biologisch vom Sohn des Erblassers abstammt, ist aufgrund der feststehenden rechtlichen Vaterschaft nicht von Bedeutung.
Das vom Erblasser errichtete Testament hat den Kläger durch die vom Erblasser bestimmte Erbeinsetzung seines Bruders und seiner Lebensgefährtin von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen. Als entfernterer Abkömmling des Erblassers ist der Kläger nunmehr pflichtteilsberechtigt. Eine dem Kläger vorgehende Pflichtteilsberechtigung seines Vaters ist nicht gegeben. Diesem hat der Erblasser neben dem Erbrecht auch den Pflichtteil entzogen. Dies folgt aus der testamentarisch verfügten Enterbung, die aufgrund der seinerzeit vorliegenden Entziehungsgründe auch wirksam ist.
Im Gegensatz zu seinem Vater hat der Kläger sein Pflichtteilsrecht jedoch nicht verloren. Der Erblasser hat in seinem Testament nur angeordnet, seinen Söhnen, nicht aber auch auf deren Nachkommen den Pflichtteil zu entziehen. Bezogen auf die Person des Klägers ist auch kein Grund für eine Entziehung des Pflichtteils ersichtlich und vom Erblasser entsprechend den gesetzlichen Vorgaben auch testamentarisch nicht verfügt worden.
Da der Beklagte - neben der Lebensgefährtin des Erblassers - dem Kläger gegenüber den Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch als Gesamtschuldner schuldet, war er in Höhe des gesamten Anspruchs zur Zahlung zu verurteilen. Darauf, dass der Nachlass nicht mehr oder nur noch zum Teil vorhanden ist, kann sich der Beklagte nicht berufen. Nach der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft hat er den Pflichtteilsanspruch mit seinem gesamten Vermögen und nicht nur mit dem übernommenen Nachlass zu erfüllen.
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