15.07.2024

Stellt ein im Rahmen eines Chartervertrags vereinbartes Beförderungsentgelt einen für die Öffentlichkeit nicht verfügbaren reduzierten Tarif dar?

Nach der Rechtsprechung des Senats liegt ein reduzierter Tarif vor, wenn ein Entgelt vereinbart ist, das geringer ist als das üblicherweise geforderte Entgelt (BGH, Urt. v. 21.9.2021 - X ZR 79/20). Ein im Rahmen eines Chartervertrags vereinbartes Beförderungsentgelt stellt nicht schon deshalb einen für die Öffentlichkeit nicht verfügbaren reduzierten Tarif i.S.v. Art. 3 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 FluggastrechteVO dar, weil es individuell ausgehandelt wurde und geringer ist als der vom Luftfahrtunternehmen ursprünglich verlangte Preis.

BGH v. 4.6.2024 - X ZR 89/23
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte für insgesamt sieben Personen bei Aida Cruises eine Kreuzfahrt gebucht, die vom 29.12.2021 bis 8.1.2022 stattfinden sollte. Im Reisepreis inbegriffen waren der Hinflug nach Lissabon und der Rückflug von Las Palmas auf Gran Canaria mit einem anderen Luftfahrtunternehmen. Am 2.1.2022 teilte Aida Cruises in einem Kabinenbrief mit, dass das Schiff wegen einer Covid-19-Erkrankung zahlreicher Besatzungsmitglieder nicht auslaufen werde. Die Passagiere würden am Folgetag von der Beklagten von Lissabon nach Frankfurt a.M. zurückbefördert.

Die Beklagte führte die Rückflüge aufgrund eines Chartervertrags mit Aida Cruises aus. Aufgrund verspäteten Abfluges kamen die Reisenden in Frankfurt mit einer Verspätung von 24 Stunden an.

Die Klägerin nahm die Beklagte daraufhin aus eigenem und abgetretenem Recht auf Ausgleichsleistungen nach der Fluggastrechteverordnung in Anspruch. Das AG hat die Beklagte im Wesentlichen antragsgemäß zu einer Ausgleichszahlung i.H.v. 400 € pro Person nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verurteilt. Sowohl die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten vor dem LG als auch ihre Revision vor dem BGH blieben erfolglos.

Gründe:
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ausgleichszahlung entsprechend Art. 5 Abs. 1 Buchst. c und Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b FluggastrechteVO.

Der Reiseveranstalter hatte die betroffenen Fluggäste von dem ursprünglich gebuchten Flug auf den Rückflug von Lissabon nach Frankfurt a.M. umgebucht. Für die Frage, ob ein Anspruch auf Ausgleichszahlung besteht, war damit allein maßgebend, ob es bezüglich des zuletzt genannten Fluges zu einer Annullierung oder einer großen Ankunftsverzögerung gekommen war. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht entschieden, dass keine kostenlose Beförderung i.S.v. Art. 3 Abs. 3 Satz 1 Fall 1 FluggastrechteVO vorgelegen hat. Nach der Rechtsprechung des Senats ist bei einem Flug, der als Teil einer Pauschalreise gebucht wurde, für die Beurteilung, ob eine kostenlose Beförderung i.S.v. Art. 3 Abs. 3 Satz 1 Fall 1 FluggastrechteVO gegeben ist, auf das Vertragsverhältnis zwischen dem Reiseveranstalter und dem ausführenden Luftfahrtunternehmen als Leistungsträger abzustellen.

Ebenfalls zutreffend hat das Berufungsgericht entschieden, dass die Beförderung nicht aufgrund eines für die Öffentlichkeit nicht verfügbaren reduzierten Tarifs i.S.v. Art. 3 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 FluggastrechteVO erfolgt ist. Nach der Rechtsprechung des Senats liegt ein reduzierter Tarif vor, wenn ein Entgelt vereinbart ist, das geringer ist als das üblicherweise geforderte Entgelt (BGH, Urt. v. 21.9.2021 - X ZR 79/20). Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, konnte dem Umstand, dass die Beklagte vom Reiseveranstalter ursprünglich einen höheren Preis gefordert hat, nicht entnommen werden, dass jener Preis dem üblicherweise geforderten Entgelt entsprach.

Zu Recht hat das Berufungsgericht schließlich entschieden, dass die Anwendung der Verordnung nicht nach Art. 3 Abs. 6 Satz 2 FluggastrechteVO ausgeschlossen war. Danach gilt die Verordnung nicht für Fälle, in denen eine Pauschalreise aus anderen Gründen als der Annullierung des Fluges annulliert wird. Dieser Ausnahmetatbestand war im Streitfall nicht erfüllt. Unabhängig davon, ob im Streitfall eine Annullierung der Pauschalreise vorlag, war der Ausnahmetatbestand des Art. 3 Abs. 6 Satz 2 FluggastrechteVO jedenfalls deshalb nicht erfüllt, weil die Klageansprüche nicht darauf gestützt wurde, dass die Annullierung der Reise zugleich zur Annullierung des Fluges geführt hatte, sondern darauf, dass es bei einem trotz Annullierung der Reise vorgesehenen und durchgeführten Flug zu einer Ankunftsverspätung gekommen war.

Mehr zum Thema:

Aufsatz
Die Entwicklung des Reiserechts der Luftbeförderung einschließlich der EU-Fluggastrechte-VO im Jahr 2022
Charlotte Achilles-Pujol, MDR 2023, 1023

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