Teilklage auf Vergütung gem. § 649 Satz 2 BGB a.F. bei Geltendmachung einzelner unselbständiger Rechnungsposten unzulässig
BGH v. 19.12.2024 - VII ZR 130/22
Der Sachverhalt:
Der Kläger begehrt von der Beklagten eine Vergütung für nicht erbrachte Architektenleistungen aus abgetretenem Recht. Mit schriftlichem Architektenvertrag vom 12.8.2016 beauftragte die Beklagte die S. GmbH (Zedentin) mit der Erbringung von Architektenleistungen zum Bauvorhaben "Revitalisierung G. -Center D. ". Nach § 4.1 des Vertrags, der eine stufenweise Beauftragung vorsah, verpflichtete sich die Zedentin zunächst zur Erbringung von Grundleistungen der im Vertrag näher beschriebenen Leistungsphasen 5 bis 7. Hinsichtlich der Vergütung wurde in § 6.4 des Vertrags für die Grundleistungen ein Pauschalpreis von rd. 600.000 € netto vereinbart, wenn alle Grundleistungen der Leistungsphasen 5 bis 9 erbracht werden. Sofern nicht alle Stufen beauftragt werden, sollte sich das Honorar ausgehend von dem Pauschalpreis nach den im Vertrag näher bezeichneten Prozentsätzen für die Grundleistungen richten. Unter § 15.2 des Vertrags heißt es: "Als Gerichtsstand wird Dresden vereinbart."
Der Vertrag wurde durch Kündigung der Beklagten vom 19.12.2016 vorzeitig beendet. Die Zedentin erstellte daraufhin unter dem 29.5.2017 eine Schlussrechnung, die ein Honorar i.H.v. rd. 1,06 Mio. € brutto für erbrachte Leistungen und i.H.v. weiteren rd. 230.000 € für nicht erbrachte Leistungen ausweist und abzgl. geleisteter Abschlagszahlungen i.H.v. rd. 140.000 € mit einer Resthonorarforderung i.H.v. rd. 1,14 Mio. € abschließt. Der Kläger begehrt von der Beklagten mit einer im Jahr 2017 vor dem LG Dresden erhobenen Klage aus abgetretenem Recht der Zedentin Vergütung für erbrachte Leistungen. Der Antrag des Klägers in jenem Rechtsstreit lautet, die Beklagte zu verurteilen, an ihn "[rd.] 910.000 € von [rd.] 1,14 Mio. €" nebst Zinsen zu zahlen. Der Rechtsstreit ist noch nicht abgeschlossen.
Gegenstand des hiesigen Rechtsstreits ist die Vergütung für nicht erbrachte Leistungen i.H.v. rd. 230.000 € aus abgetretenem Recht der Zedentin. Die Parteien streiten insoweit über die Zulässigkeit der Klage. Auf Antrag des Klägers wurde zunächst ein Mahnbescheid erlassen, in dem die Hauptforderung über rd. 230.000 € antragsgemäß als "Restwerklohn i.S.v. § 649 S. 2 BGB für nicht erbrachte Leistungen aus Architektenvertrag vom 11.03./12.08.2016" bezeichnet ist. Nach Widerspruch der Beklagten wurde das Mahnverfahren an das LG München II abgegeben.
Das LG erklärte mit Zwischenurteil die Klage für zulässig. Die Berufung der Beklagten hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Auf die Revision der Beklagten wies der BGH die Klage als unzulässig ab.
Die Gründe:
Das OLG hat rechtsfehlerhaft die im hiesigen Rechtsstreit erhobene Teilklage auf Zahlung von Vergütung für nicht erbrachte Leistungen gem. § 649 Satz 2 BGB für zulässig erachtet. Eine Teilklage auf Vergütung gem. § 649 Satz 2 BGB ist unzulässig, wenn mit ihr nicht ein abgrenzbarer Teilbetrag aus dem Schlussrechnungssaldo, sondern lediglich einzelne unselbständige Rechnungsposten geltend gemacht werden.
Der Unternehmer kann, wie der Senat bereits entschieden hat, nach Gesamtabrechnung des Vergütungsanspruchs im Wege der Teilklage Zahlung eines ziffernmäßig bestimmten Teilbetrags aus dem Schlussrechnungssaldo verlangen. Der Schlussrechnungssaldo stellt eine einheitliche Forderung dar, von der ein (erstrangiger) Teilbetrag ohne Weiteres geltend gemacht werden kann. Darüber hinaus kann eine Teilklage auch in der Weise begründet werden, dass der geltend gemachten Teilforderung als Aktivposten lediglich bestimmte Rechnungsposten des Vergütungsanspruchs - bei der Vergütung gem. § 649 Satz 2 BGB z.B. die Rechnungsposten für erbrachte Leistungen - zugrunde gelegt und von der sich hieraus ergebenden Summe alle Voraus- und Abschlagszahlungen abgezogen werden. Auch in diesem Fall ist ein verbleibender Saldobetrag hinreichend individualisiert und kann Gegenstand einer Teilklage sein.
Dagegen ist es unzulässig, mit einer Teilklage lediglich isoliert einzelne Rechnungsposten eines zu saldierenden Vergütungsanspruchs geltend zu machen. Bei derartigen Rechnungsposten handelt es sich nicht um selbständige Forderungen oder Forderungsteile. Selbständige (teilbare) Forderung in diesem Sinne ist lediglich der Schlussrechnungssaldo. Demgegenüber sind die einzelnen Rechnungsposten einer Saldoforderung unselbständig. Der sich aus ihnen ergebende Betrag ist von den weiteren unselbständigen Aktiv- und Passivposten des Vergütungsanspruchs nicht unabhängig und kann von ihnen nicht zweifelsfrei abgegrenzt werden. Daher ist die Gesamtsaldoforderung auch nicht in dieser Weise teilbar. Hieraus folgt, dass derartige Rechnungsposten weder isoliert abgetreten noch isoliert zum Gegenstand einer Teilklage gemacht werden können.
Nach diesen Maßstäben hat das OLG die Teilklage zu Unrecht als zulässig erachtet. Der Kläger macht mit der vorliegenden Teilklage Vergütung für nicht erbrachte Leistungen i.H.v. rd. 230.000 € geltend. Gegenstand dieser Teilklage sind allein die unselbständigen Rechnungsposten für nicht erbrachte Leistungen aus der Schlussrechnung vom 29.5.2017, deren Bezahlung er begehrt. Der Kläger stellt insoweit keinen sich aus einer Gesamtabrechnung ergebenden Teilsaldo, sondern lediglich die Rechnungsposten für nicht erbrachte Leistungen zur Überprüfung. Er möchte damit im Streitfall eine Prüfung des Saldos und die dafür erforderliche Prüfung der Gesamtabrechnung vermeiden. Der Kläger verlangt schließlich auch nicht einen allein noch offenstehenden Restwerklohn aus dem Schlussrechnungssaldo, sondern führt parallel einen Rechtsstreit über die - insoweit im Wege der Saldierung ermittelte - Vergütung für erbrachte Leistungen.
Mehr zum Thema:
Kommentierung | BGB
§ 649 Kostenanschlag
Schwenker/Rodemann in Erman, BGB, 17. Aufl. 2023
09/2023
Kommentierung | ZPO
§ 253 Klageschrift
Greger in Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Aufl. 2024
07/2024
Aktionsmodul Zivilrecht
Sie können Tage nicht länger machen, aber effizienter. Recherchieren Sie hier mit den führenden Kommentaren, Handbüchern und Zeitschriften für die zivilrechtliche Praxis. Topaktuelle Werke: Zöller ZPO mit Online-Aktualisierungen, Vorwerk Das Prozessformularbuch, Erman BGB uvm. Inklusive LAWLIFT Dokumentautomation Zivilprozessrecht, Beiträge zum Selbststudium nach § 15 FAO und Unterhaltsrechner. 4 Wochen gratis nutzen!
BGH online
Der Kläger begehrt von der Beklagten eine Vergütung für nicht erbrachte Architektenleistungen aus abgetretenem Recht. Mit schriftlichem Architektenvertrag vom 12.8.2016 beauftragte die Beklagte die S. GmbH (Zedentin) mit der Erbringung von Architektenleistungen zum Bauvorhaben "Revitalisierung G. -Center D. ". Nach § 4.1 des Vertrags, der eine stufenweise Beauftragung vorsah, verpflichtete sich die Zedentin zunächst zur Erbringung von Grundleistungen der im Vertrag näher beschriebenen Leistungsphasen 5 bis 7. Hinsichtlich der Vergütung wurde in § 6.4 des Vertrags für die Grundleistungen ein Pauschalpreis von rd. 600.000 € netto vereinbart, wenn alle Grundleistungen der Leistungsphasen 5 bis 9 erbracht werden. Sofern nicht alle Stufen beauftragt werden, sollte sich das Honorar ausgehend von dem Pauschalpreis nach den im Vertrag näher bezeichneten Prozentsätzen für die Grundleistungen richten. Unter § 15.2 des Vertrags heißt es: "Als Gerichtsstand wird Dresden vereinbart."
Der Vertrag wurde durch Kündigung der Beklagten vom 19.12.2016 vorzeitig beendet. Die Zedentin erstellte daraufhin unter dem 29.5.2017 eine Schlussrechnung, die ein Honorar i.H.v. rd. 1,06 Mio. € brutto für erbrachte Leistungen und i.H.v. weiteren rd. 230.000 € für nicht erbrachte Leistungen ausweist und abzgl. geleisteter Abschlagszahlungen i.H.v. rd. 140.000 € mit einer Resthonorarforderung i.H.v. rd. 1,14 Mio. € abschließt. Der Kläger begehrt von der Beklagten mit einer im Jahr 2017 vor dem LG Dresden erhobenen Klage aus abgetretenem Recht der Zedentin Vergütung für erbrachte Leistungen. Der Antrag des Klägers in jenem Rechtsstreit lautet, die Beklagte zu verurteilen, an ihn "[rd.] 910.000 € von [rd.] 1,14 Mio. €" nebst Zinsen zu zahlen. Der Rechtsstreit ist noch nicht abgeschlossen.
Gegenstand des hiesigen Rechtsstreits ist die Vergütung für nicht erbrachte Leistungen i.H.v. rd. 230.000 € aus abgetretenem Recht der Zedentin. Die Parteien streiten insoweit über die Zulässigkeit der Klage. Auf Antrag des Klägers wurde zunächst ein Mahnbescheid erlassen, in dem die Hauptforderung über rd. 230.000 € antragsgemäß als "Restwerklohn i.S.v. § 649 S. 2 BGB für nicht erbrachte Leistungen aus Architektenvertrag vom 11.03./12.08.2016" bezeichnet ist. Nach Widerspruch der Beklagten wurde das Mahnverfahren an das LG München II abgegeben.
Das LG erklärte mit Zwischenurteil die Klage für zulässig. Die Berufung der Beklagten hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Auf die Revision der Beklagten wies der BGH die Klage als unzulässig ab.
Die Gründe:
Das OLG hat rechtsfehlerhaft die im hiesigen Rechtsstreit erhobene Teilklage auf Zahlung von Vergütung für nicht erbrachte Leistungen gem. § 649 Satz 2 BGB für zulässig erachtet. Eine Teilklage auf Vergütung gem. § 649 Satz 2 BGB ist unzulässig, wenn mit ihr nicht ein abgrenzbarer Teilbetrag aus dem Schlussrechnungssaldo, sondern lediglich einzelne unselbständige Rechnungsposten geltend gemacht werden.
Der Unternehmer kann, wie der Senat bereits entschieden hat, nach Gesamtabrechnung des Vergütungsanspruchs im Wege der Teilklage Zahlung eines ziffernmäßig bestimmten Teilbetrags aus dem Schlussrechnungssaldo verlangen. Der Schlussrechnungssaldo stellt eine einheitliche Forderung dar, von der ein (erstrangiger) Teilbetrag ohne Weiteres geltend gemacht werden kann. Darüber hinaus kann eine Teilklage auch in der Weise begründet werden, dass der geltend gemachten Teilforderung als Aktivposten lediglich bestimmte Rechnungsposten des Vergütungsanspruchs - bei der Vergütung gem. § 649 Satz 2 BGB z.B. die Rechnungsposten für erbrachte Leistungen - zugrunde gelegt und von der sich hieraus ergebenden Summe alle Voraus- und Abschlagszahlungen abgezogen werden. Auch in diesem Fall ist ein verbleibender Saldobetrag hinreichend individualisiert und kann Gegenstand einer Teilklage sein.
Dagegen ist es unzulässig, mit einer Teilklage lediglich isoliert einzelne Rechnungsposten eines zu saldierenden Vergütungsanspruchs geltend zu machen. Bei derartigen Rechnungsposten handelt es sich nicht um selbständige Forderungen oder Forderungsteile. Selbständige (teilbare) Forderung in diesem Sinne ist lediglich der Schlussrechnungssaldo. Demgegenüber sind die einzelnen Rechnungsposten einer Saldoforderung unselbständig. Der sich aus ihnen ergebende Betrag ist von den weiteren unselbständigen Aktiv- und Passivposten des Vergütungsanspruchs nicht unabhängig und kann von ihnen nicht zweifelsfrei abgegrenzt werden. Daher ist die Gesamtsaldoforderung auch nicht in dieser Weise teilbar. Hieraus folgt, dass derartige Rechnungsposten weder isoliert abgetreten noch isoliert zum Gegenstand einer Teilklage gemacht werden können.
Nach diesen Maßstäben hat das OLG die Teilklage zu Unrecht als zulässig erachtet. Der Kläger macht mit der vorliegenden Teilklage Vergütung für nicht erbrachte Leistungen i.H.v. rd. 230.000 € geltend. Gegenstand dieser Teilklage sind allein die unselbständigen Rechnungsposten für nicht erbrachte Leistungen aus der Schlussrechnung vom 29.5.2017, deren Bezahlung er begehrt. Der Kläger stellt insoweit keinen sich aus einer Gesamtabrechnung ergebenden Teilsaldo, sondern lediglich die Rechnungsposten für nicht erbrachte Leistungen zur Überprüfung. Er möchte damit im Streitfall eine Prüfung des Saldos und die dafür erforderliche Prüfung der Gesamtabrechnung vermeiden. Der Kläger verlangt schließlich auch nicht einen allein noch offenstehenden Restwerklohn aus dem Schlussrechnungssaldo, sondern führt parallel einen Rechtsstreit über die - insoweit im Wege der Saldierung ermittelte - Vergütung für erbrachte Leistungen.
Kommentierung | BGB
§ 649 Kostenanschlag
Schwenker/Rodemann in Erman, BGB, 17. Aufl. 2023
09/2023
Kommentierung | ZPO
§ 253 Klageschrift
Greger in Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Aufl. 2024
07/2024
Aktionsmodul Zivilrecht
Sie können Tage nicht länger machen, aber effizienter. Recherchieren Sie hier mit den führenden Kommentaren, Handbüchern und Zeitschriften für die zivilrechtliche Praxis. Topaktuelle Werke: Zöller ZPO mit Online-Aktualisierungen, Vorwerk Das Prozessformularbuch, Erman BGB uvm. Inklusive LAWLIFT Dokumentautomation Zivilprozessrecht, Beiträge zum Selbststudium nach § 15 FAO und Unterhaltsrechner. 4 Wochen gratis nutzen!