Überlassung der Ehewohnung nach Scheidung: Vorrang der familienrechtlichen Vorschriften nur zwischen Ehegatten
OLG Nürnberg v. 10.8.2023 - 7 UF 312/23
Der Sachverhalt:
Die Beteiligten streiten über die Herausgabe eines Einfamilienhauses. Die Antragstellerin ist die Schwiegermutter der Antragsgegnerin. Ihr gehört das verfahrensgegenständliche Einfamilienhaus - die ehemalige Ehewohnung ihres Sohnes und der Antragsgegnerin. Der Ehemann ist ausgezogen; die Antragsgegnerin bewohnt es mit dem gemeinsamen erwachsenen Sohn. Einen Mietvertrag vereinbarte die Antragsgegnerin weder mit ihrem Ehemann noch mit ihrer Schwiegermutter. Sie trägt teilweise die Nebenkosten; Nutzungsentschädigung zahlt sie nicht.
Die Eheleute hatten 1996 geheiratet und leben seit 2018 getrennt. Das Scheidungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Der Ehemann veräußerte die verfahrensgegenständliche Immobilie an die Antragstellerin, welche seit Dezember 2019 im Grundbuch als Eigentümerin eingetragen ist. Zu diesem Zeitpunkt waren die beiderseitigen Scheidungsanträge der Eheleute bereits zugestellt.
Das Familiengericht hat die Antragsgegnerin dazu verpflichtet, das Einfamilienhaus zu räumen und geräumt an die Antragstellerin herauszugeben. Das OLG hat die Beschwerde der Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin gegen diesen Beschluss zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen; die Entscheidung ist rechtskräftig.
Die Gründe:
§ 985 BGB ist im Verhältnis zwischen den Beteiligten uneingeschränkt anwendbar. Zwar hat der BGH in der Entscheidung FamRZ 1978, 496 Rn. 10 ausgeführt, dass während des Scheidungsverfahrens die auf § 985 BGB gestützte Klage eines Ehegatten gegen den anderen auf Herausgabe der Ehewohnung unzulässig ist. Die Antragsgegnerin ist auch noch nicht geschieden; das Scheidungsverfahren ruht.
Indes hat das laufende Scheidungsverfahren keine Auswirkungen auf das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis des vorliegenden Falles. Denn der Vorrang der familienrechtlichen Vorschriften zur Überlassung der Ehewohnung vor einem Herausgabeanspruch aus § 985 BGB gilt nur im Verhältnis der Ehegatten [oder Lebenspartner] untereinander. Zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin kommt weder § 1361b BGB noch § 1568a BGB zur Anwendung. Ein Überlassungsanspruch hinsichtlich der Ehewohnung bei Getrenntleben kann nur dem Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartner gegenüber geltend gemacht werden. Auch der anlässlich der Scheidung anwendbare § 1568a BGB betrifft das Innenverhältnis der beteiligten Ehegatten und Lebenspartner bzw. das Außenverhältnis zum Vermieter, keine weiteren Konstellationen.
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Die Beteiligten streiten über die Herausgabe eines Einfamilienhauses. Die Antragstellerin ist die Schwiegermutter der Antragsgegnerin. Ihr gehört das verfahrensgegenständliche Einfamilienhaus - die ehemalige Ehewohnung ihres Sohnes und der Antragsgegnerin. Der Ehemann ist ausgezogen; die Antragsgegnerin bewohnt es mit dem gemeinsamen erwachsenen Sohn. Einen Mietvertrag vereinbarte die Antragsgegnerin weder mit ihrem Ehemann noch mit ihrer Schwiegermutter. Sie trägt teilweise die Nebenkosten; Nutzungsentschädigung zahlt sie nicht.
Die Eheleute hatten 1996 geheiratet und leben seit 2018 getrennt. Das Scheidungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Der Ehemann veräußerte die verfahrensgegenständliche Immobilie an die Antragstellerin, welche seit Dezember 2019 im Grundbuch als Eigentümerin eingetragen ist. Zu diesem Zeitpunkt waren die beiderseitigen Scheidungsanträge der Eheleute bereits zugestellt.
Das Familiengericht hat die Antragsgegnerin dazu verpflichtet, das Einfamilienhaus zu räumen und geräumt an die Antragstellerin herauszugeben. Das OLG hat die Beschwerde der Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin gegen diesen Beschluss zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen; die Entscheidung ist rechtskräftig.
Die Gründe:
§ 985 BGB ist im Verhältnis zwischen den Beteiligten uneingeschränkt anwendbar. Zwar hat der BGH in der Entscheidung FamRZ 1978, 496 Rn. 10 ausgeführt, dass während des Scheidungsverfahrens die auf § 985 BGB gestützte Klage eines Ehegatten gegen den anderen auf Herausgabe der Ehewohnung unzulässig ist. Die Antragsgegnerin ist auch noch nicht geschieden; das Scheidungsverfahren ruht.
Indes hat das laufende Scheidungsverfahren keine Auswirkungen auf das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis des vorliegenden Falles. Denn der Vorrang der familienrechtlichen Vorschriften zur Überlassung der Ehewohnung vor einem Herausgabeanspruch aus § 985 BGB gilt nur im Verhältnis der Ehegatten [oder Lebenspartner] untereinander. Zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin kommt weder § 1361b BGB noch § 1568a BGB zur Anwendung. Ein Überlassungsanspruch hinsichtlich der Ehewohnung bei Getrenntleben kann nur dem Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartner gegenüber geltend gemacht werden. Auch der anlässlich der Scheidung anwendbare § 1568a BGB betrifft das Innenverhältnis der beteiligten Ehegatten und Lebenspartner bzw. das Außenverhältnis zum Vermieter, keine weiteren Konstellationen.
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