Unentgeltlicher Entwurf einer Trennungsfolgenvereinbarung durch Steuerberater kann unzulässig sein
OLG Karlsruhe v. 22.10.2024, 14 U 194/23
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist die berufsständische Vertretung der Rechtsanwälte im Bezirk des ehemaligen OLG Freiburg. Der Beklagte ist Steuerberater und vereidigter Buchprüfer mit eigener Kanzlei. Er ist kein Rechtsanwalt.
Zwischen dem Beklagten und seinem Mandanten F. bestand seit ca. 15 Jahren eine Freundschaft. Dessen Frau M. war seit der Eheschließung 2011 auch Mandantin des Beklagten. Der Beklagte erledigte für die beiden Mandanten jedenfalls seitdem die Jahressteuererklärungen. Im Jahr 2021 teilte F. dem Beklagten dann die Trennungsabsicht der Eheleute mit. Auftragsgemäß entwarf der Beklagte für die Mandanten eine Trennungsfolgenvereinbarung. Später wurde die Ehe geschieden.
Die Klägerin mahnte den Beklagten wegen eines Verstoßes gegen das RDG ab und forderte ihn zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie zur Zahlung einer Abmahnpauschale von 250 € bis auf. Der Beklagte wies die Ansprüche zurück und berief sich auf § 6 RDG.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Es war davon überzeugt, dass es sich bei der vom Beklagten erbrachten rechtlichen Beratung um einen unentgeltlichen Freundschaftsdienst gehandelt habe, so dass die Rechtsberatung nach § 6 Abs. 1 und Abs. 2 RDG zulässig gewesen sei. Auf die Berufung der Klägerin hat das OLG das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und der Klage vollumfänglich stattgegeben.
Die Gründe:
Die Klägerin hat gegenüber dem Beklagten einen Anspruch auf Unterlassung aus §§ 3 Abs. 1, 3a, 8 Abs. 1 UWG i.V.m. § 3 RDG, denn die Erstellung des Vertragsentwurfs durch den Beklagten stellt eine unlautere Handlung dar. Da der Beklagte keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hat, besteht eine Wiederholungsgefahr. Die Klägerin kann darüber hinaus gem. § 13 Abs. 3 UWG die ihr durch die Abmahnung entstandene Aufwendungen nebst Verzugszinsen ersetzt verlangen.
Der unentgeltliche Entwurf einer Trennungsfolgenvereinbarung durch einen Steuerberater stellt keine unentgeltliche Rechtsdienstleistung i.S.d. § 6 Abs. 1 RDG dar, wenn die Tätigkeit im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit des Steuerberaters steht. Die durch den Beklagten erbrachte Rechtsdienstleistung stellte eine geschäftliche Handlung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG dar. Es handelte sich um eine Dienstleistung, die der Beklagte in seiner Eigenschaft als Steuerberater - während bestehender steuerrechtlicher Mandatsverhältnisse - gegenüber den Noch-Eheleuten F. und M. erbracht hatte. Die Handlung in Gestalt des Entwurfes der "Trennungsfolgevereinbarung / Ehevertrag" wies daher einen Marktbezug auf. Ein solcher ist gegeben, wenn die Handlung ihrer Art nach auf die Marktteilnehmer (Mitbewerber, Verbraucher und sonstige Marktteilnehmer) einwirken und damit das Marktgeschehen beeinflussen kann, wobei der Annahme eines Marktes nicht entgegensteht, dass eine Leistung unentgeltlich erbracht wird, § 18 Abs. 2a GWB.
Letztlich verstieß der Entwurf des streitgegenständlichen Vertrages gegen § 4 Satz 1 RDG. Die durch den Beklagten gegenüber den Eheleuten erbrachte Rechtsdienstleistung hat (jeweils) unmittelbar gestaltenden Einfluss auf den Inhalt der bereits begründeten Hauptleistungspflichten gegenüber F. bzw. M. genommen, denn der Beklagte beriet beide. Dass offensichtlich widerstreitende Interessen der Eheleute im Raum standen, lag auf der Hand. Im Rahmen des geschlossenen Vertrages verzichteten die Eheleute wechselseitig auf etwaige Ansprüche. Dass diese Regelungen gegen das Interesse (mindestens) einer der beiden Parteien verstoßen haben, war klar ersichtlich. Spätestens zu dem Zeitpunkt, als der Ausgleich der Splittingvorteile diskutiert worden war, sind die widerstreitenden Interessen der Eheleute im Rahmen eines trennungs-/ scheidungsbedingten Vermögensausgleichs offen zu Tage getreten.
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Landesrechtsprechung Baden-Württemberg
Die Klägerin ist die berufsständische Vertretung der Rechtsanwälte im Bezirk des ehemaligen OLG Freiburg. Der Beklagte ist Steuerberater und vereidigter Buchprüfer mit eigener Kanzlei. Er ist kein Rechtsanwalt.
Zwischen dem Beklagten und seinem Mandanten F. bestand seit ca. 15 Jahren eine Freundschaft. Dessen Frau M. war seit der Eheschließung 2011 auch Mandantin des Beklagten. Der Beklagte erledigte für die beiden Mandanten jedenfalls seitdem die Jahressteuererklärungen. Im Jahr 2021 teilte F. dem Beklagten dann die Trennungsabsicht der Eheleute mit. Auftragsgemäß entwarf der Beklagte für die Mandanten eine Trennungsfolgenvereinbarung. Später wurde die Ehe geschieden.
Die Klägerin mahnte den Beklagten wegen eines Verstoßes gegen das RDG ab und forderte ihn zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie zur Zahlung einer Abmahnpauschale von 250 € bis auf. Der Beklagte wies die Ansprüche zurück und berief sich auf § 6 RDG.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Es war davon überzeugt, dass es sich bei der vom Beklagten erbrachten rechtlichen Beratung um einen unentgeltlichen Freundschaftsdienst gehandelt habe, so dass die Rechtsberatung nach § 6 Abs. 1 und Abs. 2 RDG zulässig gewesen sei. Auf die Berufung der Klägerin hat das OLG das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und der Klage vollumfänglich stattgegeben.
Die Gründe:
Die Klägerin hat gegenüber dem Beklagten einen Anspruch auf Unterlassung aus §§ 3 Abs. 1, 3a, 8 Abs. 1 UWG i.V.m. § 3 RDG, denn die Erstellung des Vertragsentwurfs durch den Beklagten stellt eine unlautere Handlung dar. Da der Beklagte keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hat, besteht eine Wiederholungsgefahr. Die Klägerin kann darüber hinaus gem. § 13 Abs. 3 UWG die ihr durch die Abmahnung entstandene Aufwendungen nebst Verzugszinsen ersetzt verlangen.
Der unentgeltliche Entwurf einer Trennungsfolgenvereinbarung durch einen Steuerberater stellt keine unentgeltliche Rechtsdienstleistung i.S.d. § 6 Abs. 1 RDG dar, wenn die Tätigkeit im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit des Steuerberaters steht. Die durch den Beklagten erbrachte Rechtsdienstleistung stellte eine geschäftliche Handlung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG dar. Es handelte sich um eine Dienstleistung, die der Beklagte in seiner Eigenschaft als Steuerberater - während bestehender steuerrechtlicher Mandatsverhältnisse - gegenüber den Noch-Eheleuten F. und M. erbracht hatte. Die Handlung in Gestalt des Entwurfes der "Trennungsfolgevereinbarung / Ehevertrag" wies daher einen Marktbezug auf. Ein solcher ist gegeben, wenn die Handlung ihrer Art nach auf die Marktteilnehmer (Mitbewerber, Verbraucher und sonstige Marktteilnehmer) einwirken und damit das Marktgeschehen beeinflussen kann, wobei der Annahme eines Marktes nicht entgegensteht, dass eine Leistung unentgeltlich erbracht wird, § 18 Abs. 2a GWB.
Letztlich verstieß der Entwurf des streitgegenständlichen Vertrages gegen § 4 Satz 1 RDG. Die durch den Beklagten gegenüber den Eheleuten erbrachte Rechtsdienstleistung hat (jeweils) unmittelbar gestaltenden Einfluss auf den Inhalt der bereits begründeten Hauptleistungspflichten gegenüber F. bzw. M. genommen, denn der Beklagte beriet beide. Dass offensichtlich widerstreitende Interessen der Eheleute im Raum standen, lag auf der Hand. Im Rahmen des geschlossenen Vertrages verzichteten die Eheleute wechselseitig auf etwaige Ansprüche. Dass diese Regelungen gegen das Interesse (mindestens) einer der beiden Parteien verstoßen haben, war klar ersichtlich. Spätestens zu dem Zeitpunkt, als der Ausgleich der Splittingvorteile diskutiert worden war, sind die widerstreitenden Interessen der Eheleute im Rahmen eines trennungs-/ scheidungsbedingten Vermögensausgleichs offen zu Tage getreten.
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