Unfall im Kreisverkehr: Kollision zwischen Jeep und Motorrad
LG Köln v. 19.4.2024 - 14 O 65/21
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Eigentümer und Halter eines Motorrades der Marke Suzuki. Die Beklagte zu 2) ist Halterin eines Pkw der Marke Jeep. Der Beklagte zu 2) war am 2.8.2020 mit dem Auto unterwegs. Er und der Kläger auf seinem Motorrad trafen in einem Kreisverkehr aufeinander. Nachdem beide den Kreisverkehr verlassen hatten, kam es zu einer Kollision des Motorrads und des Pkw. Einzelheiten blieben streitig. Jedenfalls befand sich der Kläger rechts vom Pkw. Infolge der Kollision mit dem Jeep verlor der Kläger das Gleichgewicht und stürzte mit dem Motorrad zu Boden. Der Pkw der Beklagten wies eine Kontaktspur mit dem Motorrad an der hinteren rechten Seite auf, das Motorrad am Lenker auf der linken Seite.
Der Kläger behauptete, das Unfallereignis sei ausschließlich auf das verkehrswidrige Verhalten des Beklagten zu 1) zurückzuführen. Dieser habe, ohne ausreichenden Sicherheitsabstand einzuhalten, das Motorrad des Klägers überholt und sei unmittelbar vor diesem wieder eingeschert. Dadurch habe der Beklagte zu 1) den Kläger abgedrängt und die Kollision verursacht.
Die Beklagten waren der Ansicht, der Kläger hafte allein für den Unfall wegen eines Verkehrsverstoßes. Es habe zu keinem Zeitpunkt ein Überholmanöver durch den Beklagten zu 1) gegeben. Dieser habe vielmehr vor dem Kläger den Kreisverkehr verlassen. Er habe ein Hupen im Kreisverkehr vernommen und sich gewundert, da er dem hinter sich befindlichen Kläger nicht die Vorfahrt genommen habe. Der Beklagte zu 1) habe wahrgenommen, dass der Kläger ihn verkehrswidrig rechts überholen wollte und dieser sei dabei in die hintere rechte Beifahrerseite des Jeeps gefahren.
Das LG hat der auf 5.762 € plus vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 571 € gerichteten Klage überwiegend stattgegeben.
Die Gründe:
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagten gem. § 7 Abs. 1 StVG i.V.m. § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, § 1 PflVersG i.H.v. 4.711 € plus vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten i.H.v. 492 € zu.
Nach dem Sach- und Streitstand lag offenkundig kein Fall höherer Gewalt i.S.v. § 7 Abs. 2 StVG vor. Für beide beteiligten Fahrer war der Unfall auch kein unabwendbares Ereignis i.S.v. § 17 Abs. 3 StVG. Auch wenn dem Kläger nach seiner Schilderung im konkreten Moment der Kollision ggf. keine Reaktionsmöglichkeit bestanden haben sollte, so konnte ihm gleichwohl der Vorwurf gemacht werden, dass er durch sein Verhalten das Fahrmanöver des Beklagten zu 1) gewissermaßen herausgefordert hatte. Denn von einem besonnenen Idealfahrer ist zu erwarten, dass dieser nach der eigenen Schilderung des Klägers den Vorfall im Kreisverkehr nicht zum Anlass genommen hätte, das Beklagtenfahrzeug nach Verlassen des Kreisverkehrs zu überholen. Ein Idealfahrer hätte sich vielmehr im städtischen Verkehr hinter dem Beklagtenfahrzeug eingeordnet. Damit wäre es nicht zu einem Überholmanöver gekommen, dass dann zur Kollision geführt hätte.
Andererseits hat die Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts nicht ergeben, dass der Unfall sich so zugetragen hatte, wie es die Beklagten behauptet hatten, insbesondere, dass der Kläger ein Überholmanöver rechts vom Beklagtenfahrzeug vorgenommen hatte. Vielmehr war von einem verkehrswidrigen Überholmanöver des Beklagten zu 1) auszugehen, was logischerweise von diesem vermeidbar war. Ein Idealfahrer hätte in der Situation des Beklagten zu 1) jedenfalls kein Überholmanöver vorgenommen bzw. ein solchen mit genügend Seitenabstand durchgeführt.
Die Beklagten haften demnach nach Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge gem. § 17 Abs. 2 StVG i.V.m. § 17 Abs. 1 StVG allein. Bei der infolge der wechselseitigen Verpflichtung der Fahrzeughalter untereinander vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Verursachungsanteile gem. § 17 Abs. 1, 2 StVG hat - ausgehend von einer Quotelung auf der Grundlage der jeweiligen Betriebsgefahr - jeweils derjenige die Tatsachen darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen, welcher sich zu seinen Gunsten und zu Lasten des anderen auf einen als Verschulden anzurechnenden Umstand oder eine sonstige Erhöhung der Betriebsgefahr beruft. Hierbei ist die Abwägung allein aufgrund der unstreitigen, zugestandenen oder erwiesenen Tatsachen vorzunehmen.
Da hier vorliegend ein PKW und ein Motorrad in den Unfall verwickelt waren, war bereits die Ausgangsquote angesichts der höheren Betriebsgefahr, die von einem PKW aufgrund seiner Größe, Schwere und Stabilität im Vergleich zu einem zweirädigen Motorrad ausgeht, höher zu bewerten. Eine genaue Quotierung der ungleichen Betriebsgefahr konnte jedoch unterbleiben, weil die Beklagten im Ergebnis zu 100% haften. Angesichts des unstreitigen Kollisionsablaufs und des Schadensbildes der beteiligten Fahrzeuge sprach vorliegend der Anscheinsbeweis für einen Verstoß der Beklagten gegen § 5 Abs. 4 S. 2 und S. 6 StVO, also eines Überholens mit zu geringem Seitenabstand und Behinderung des Überholten beim Wiedereinscheren.
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Justiz NRW
Der Kläger ist Eigentümer und Halter eines Motorrades der Marke Suzuki. Die Beklagte zu 2) ist Halterin eines Pkw der Marke Jeep. Der Beklagte zu 2) war am 2.8.2020 mit dem Auto unterwegs. Er und der Kläger auf seinem Motorrad trafen in einem Kreisverkehr aufeinander. Nachdem beide den Kreisverkehr verlassen hatten, kam es zu einer Kollision des Motorrads und des Pkw. Einzelheiten blieben streitig. Jedenfalls befand sich der Kläger rechts vom Pkw. Infolge der Kollision mit dem Jeep verlor der Kläger das Gleichgewicht und stürzte mit dem Motorrad zu Boden. Der Pkw der Beklagten wies eine Kontaktspur mit dem Motorrad an der hinteren rechten Seite auf, das Motorrad am Lenker auf der linken Seite.
Der Kläger behauptete, das Unfallereignis sei ausschließlich auf das verkehrswidrige Verhalten des Beklagten zu 1) zurückzuführen. Dieser habe, ohne ausreichenden Sicherheitsabstand einzuhalten, das Motorrad des Klägers überholt und sei unmittelbar vor diesem wieder eingeschert. Dadurch habe der Beklagte zu 1) den Kläger abgedrängt und die Kollision verursacht.
Die Beklagten waren der Ansicht, der Kläger hafte allein für den Unfall wegen eines Verkehrsverstoßes. Es habe zu keinem Zeitpunkt ein Überholmanöver durch den Beklagten zu 1) gegeben. Dieser habe vielmehr vor dem Kläger den Kreisverkehr verlassen. Er habe ein Hupen im Kreisverkehr vernommen und sich gewundert, da er dem hinter sich befindlichen Kläger nicht die Vorfahrt genommen habe. Der Beklagte zu 1) habe wahrgenommen, dass der Kläger ihn verkehrswidrig rechts überholen wollte und dieser sei dabei in die hintere rechte Beifahrerseite des Jeeps gefahren.
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Dem Kläger steht ein Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagten gem. § 7 Abs. 1 StVG i.V.m. § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, § 1 PflVersG i.H.v. 4.711 € plus vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten i.H.v. 492 € zu.
Nach dem Sach- und Streitstand lag offenkundig kein Fall höherer Gewalt i.S.v. § 7 Abs. 2 StVG vor. Für beide beteiligten Fahrer war der Unfall auch kein unabwendbares Ereignis i.S.v. § 17 Abs. 3 StVG. Auch wenn dem Kläger nach seiner Schilderung im konkreten Moment der Kollision ggf. keine Reaktionsmöglichkeit bestanden haben sollte, so konnte ihm gleichwohl der Vorwurf gemacht werden, dass er durch sein Verhalten das Fahrmanöver des Beklagten zu 1) gewissermaßen herausgefordert hatte. Denn von einem besonnenen Idealfahrer ist zu erwarten, dass dieser nach der eigenen Schilderung des Klägers den Vorfall im Kreisverkehr nicht zum Anlass genommen hätte, das Beklagtenfahrzeug nach Verlassen des Kreisverkehrs zu überholen. Ein Idealfahrer hätte sich vielmehr im städtischen Verkehr hinter dem Beklagtenfahrzeug eingeordnet. Damit wäre es nicht zu einem Überholmanöver gekommen, dass dann zur Kollision geführt hätte.
Andererseits hat die Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts nicht ergeben, dass der Unfall sich so zugetragen hatte, wie es die Beklagten behauptet hatten, insbesondere, dass der Kläger ein Überholmanöver rechts vom Beklagtenfahrzeug vorgenommen hatte. Vielmehr war von einem verkehrswidrigen Überholmanöver des Beklagten zu 1) auszugehen, was logischerweise von diesem vermeidbar war. Ein Idealfahrer hätte in der Situation des Beklagten zu 1) jedenfalls kein Überholmanöver vorgenommen bzw. ein solchen mit genügend Seitenabstand durchgeführt.
Die Beklagten haften demnach nach Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge gem. § 17 Abs. 2 StVG i.V.m. § 17 Abs. 1 StVG allein. Bei der infolge der wechselseitigen Verpflichtung der Fahrzeughalter untereinander vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Verursachungsanteile gem. § 17 Abs. 1, 2 StVG hat - ausgehend von einer Quotelung auf der Grundlage der jeweiligen Betriebsgefahr - jeweils derjenige die Tatsachen darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen, welcher sich zu seinen Gunsten und zu Lasten des anderen auf einen als Verschulden anzurechnenden Umstand oder eine sonstige Erhöhung der Betriebsgefahr beruft. Hierbei ist die Abwägung allein aufgrund der unstreitigen, zugestandenen oder erwiesenen Tatsachen vorzunehmen.
Da hier vorliegend ein PKW und ein Motorrad in den Unfall verwickelt waren, war bereits die Ausgangsquote angesichts der höheren Betriebsgefahr, die von einem PKW aufgrund seiner Größe, Schwere und Stabilität im Vergleich zu einem zweirädigen Motorrad ausgeht, höher zu bewerten. Eine genaue Quotierung der ungleichen Betriebsgefahr konnte jedoch unterbleiben, weil die Beklagten im Ergebnis zu 100% haften. Angesichts des unstreitigen Kollisionsablaufs und des Schadensbildes der beteiligten Fahrzeuge sprach vorliegend der Anscheinsbeweis für einen Verstoß der Beklagten gegen § 5 Abs. 4 S. 2 und S. 6 StVO, also eines Überholens mit zu geringem Seitenabstand und Behinderung des Überholten beim Wiedereinscheren.
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