Uni-Ausschluss wegen ritualisierter Trinkexzesse mit Erstsemestern
OLG Koblenz v. 6.11.2023 - 15 W 385/23
Der Sachverhalt:
Die Antragsgegnerin ist eine staatlich anerkannte Hochschule in freier Trägerschaft. Sie hatte mit der Antragstellerin im Juli 2022 einen Studienvertrag abgeschlossen, den sie am 2.9.2023 fristlos kündigte. Außerdem erteilte sie der Antragstellerin ein Hausverbot. Grund dafür waren Trinkexzesse im Zuge von Einführungswochen für Erstsemesterstudierende. Die Antragstellerin war Patin einer Patengruppen von fünf Personen und hatte ein Treffen der Patengruppe in einer Studentenwohnung mitorganisiert. Im Verlauf des Treffens wurde im Badezimmer der Wohnung ein sog. "Rohrbruch" mit zwei neuen Studenten praktiziert. Diese mussten dabei einen Kasten Bier "auf Ex" trinken. Die Antragstellerin hatte mit einer anderen Patin die Tür vom Bad abgeschlossen. Ein Student wurde daraufhin mit einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von 1,5 Promille ins Krankenhaus eingeliefert.
Die Antragstellerin hat behauptet, sie habe keine der bei dem Patentreffen anwesenden Personen unter psychischen Druck gesetzt und dazu genötigt Alkohol zu konsumieren. Jedes Patenkind habe entscheiden können, was es trinken möchte. Die Antragsgegnerin hat im Verfahren vorgetragen, es habe sich um eine Tatkündigung gehandelt. Die Antragstellerin sei, wenn nicht bereits an der Planung, so doch jedenfalls aktiv an der Gestaltung des Abends beteiligt gewesen. Sie habe kein deutliches Signal gesetzt, mit den geplanten und absehbaren Vorgängen nicht einverstanden zu sein.
Das LG hat den Antrag auf Aussetzung des von der Antragsgegnerin ausgesprochenen Hausverbots und auf Gewährung von Zugang zum Hochschulbetrieb zurückgewiesen. Das OLG hat die Entscheidung bestätigt und die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen.
Die Gründe:
Zu Recht ist das LG davon ausgegangen, dass es an einem Verfügungsanspruch i.S.d. § 935 ZPO fehlte, weil der Studienvertrag gem. § 3 Abs. 3, 4 i.V.m. § 6 Abs. 5, 6 des Vertrags wirksam fristlos gekündigt worden war.
Die Antragstellerin musste sich eine schwerwiegende Verletzung ihrer Pflichten aus dem Studienvertrag vorwerfen lassen. Sie hatte sich gem. § 3 Abs. 3 des Studienvertrags verpflichtet, den Code of Conduct der Antragsgegnerin einzuhalten sowie "alles zu unterlassen, was geeignet ist, das Ansehen der UNIVERSITÄT zu beeinträchtigen, die Ordnung an der UNIVERSITÄT zu stören und den Bestand der Hochschuleinrichtungen zu schädigen oder nachteilig zu beeinträchtigen."
Das ihr gemessen hieran individuell vorwerfbare schuldhafte Verhalten bestand darin, dass sie sich in offizieller Funktion als Patin für die Erstsemester an einer privaten "Kennenlernveranstaltung" beteiligt hatte, in deren Rahmen es zu einem für sie absehbaren ritualisierten Alkoholexzess des Erstsemesters in einer durch die Paten gemeinschaftlich aufgebauten psychologischen Drucksituation gekommen war. Nicht entscheidend war hingegen, dass sie den Abend einschließlich des "Rohrbruchs" nicht vorab mitgeplant hatte und selbst nicht die Hauptprotagonistin der Geschehnisse gewesen war. Von separat zu betrachtenden Geschehensabläufen im Bad und im Wohnzimmer konnte nicht die Rede sein. Die Antragstellerin war nach eigenen Angaben bereits ca. 20 Minuten vor den Patenkindern vor Ort.
Die Antragstellerin hat nichts unternommen, was ihr vorangehendes Verhalten in einem milderen Licht hätte erscheinen lassen können. Obwohl mind. ein Student sich ca. 30 (!) Minuten lang in der vorbeschriebenen Auslieferungssituation befunden hat und Geräusche von umfallenden Flaschen zu hören waren, die das von vornherein zu besorgende "Abfüllen" nur bestätigen konnten, hat sie und die andere Patin lediglich nachgefragt, ob alles in Ordnung sei, und sich mit der bejahenden Antwort durch den weiteren Paten begnügt. Es wurde weder die Tür geöffnet, um sich selbst ein Bild von der Lage zu machen, noch wurden die Mitpaten aufgefordert, die Prozedur abzubrechen. Inwieweit ihr Verhalten auch strafrechtliche Relevanz hat, war für die Frage eines schweren Verstoßes gegen ihre Pflichten aus dem Studienvertrag unerheblich.
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Landesrecht Rheinland-Pfalz
Die Antragsgegnerin ist eine staatlich anerkannte Hochschule in freier Trägerschaft. Sie hatte mit der Antragstellerin im Juli 2022 einen Studienvertrag abgeschlossen, den sie am 2.9.2023 fristlos kündigte. Außerdem erteilte sie der Antragstellerin ein Hausverbot. Grund dafür waren Trinkexzesse im Zuge von Einführungswochen für Erstsemesterstudierende. Die Antragstellerin war Patin einer Patengruppen von fünf Personen und hatte ein Treffen der Patengruppe in einer Studentenwohnung mitorganisiert. Im Verlauf des Treffens wurde im Badezimmer der Wohnung ein sog. "Rohrbruch" mit zwei neuen Studenten praktiziert. Diese mussten dabei einen Kasten Bier "auf Ex" trinken. Die Antragstellerin hatte mit einer anderen Patin die Tür vom Bad abgeschlossen. Ein Student wurde daraufhin mit einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von 1,5 Promille ins Krankenhaus eingeliefert.
Die Antragstellerin hat behauptet, sie habe keine der bei dem Patentreffen anwesenden Personen unter psychischen Druck gesetzt und dazu genötigt Alkohol zu konsumieren. Jedes Patenkind habe entscheiden können, was es trinken möchte. Die Antragsgegnerin hat im Verfahren vorgetragen, es habe sich um eine Tatkündigung gehandelt. Die Antragstellerin sei, wenn nicht bereits an der Planung, so doch jedenfalls aktiv an der Gestaltung des Abends beteiligt gewesen. Sie habe kein deutliches Signal gesetzt, mit den geplanten und absehbaren Vorgängen nicht einverstanden zu sein.
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Die Antragstellerin musste sich eine schwerwiegende Verletzung ihrer Pflichten aus dem Studienvertrag vorwerfen lassen. Sie hatte sich gem. § 3 Abs. 3 des Studienvertrags verpflichtet, den Code of Conduct der Antragsgegnerin einzuhalten sowie "alles zu unterlassen, was geeignet ist, das Ansehen der UNIVERSITÄT zu beeinträchtigen, die Ordnung an der UNIVERSITÄT zu stören und den Bestand der Hochschuleinrichtungen zu schädigen oder nachteilig zu beeinträchtigen."
Das ihr gemessen hieran individuell vorwerfbare schuldhafte Verhalten bestand darin, dass sie sich in offizieller Funktion als Patin für die Erstsemester an einer privaten "Kennenlernveranstaltung" beteiligt hatte, in deren Rahmen es zu einem für sie absehbaren ritualisierten Alkoholexzess des Erstsemesters in einer durch die Paten gemeinschaftlich aufgebauten psychologischen Drucksituation gekommen war. Nicht entscheidend war hingegen, dass sie den Abend einschließlich des "Rohrbruchs" nicht vorab mitgeplant hatte und selbst nicht die Hauptprotagonistin der Geschehnisse gewesen war. Von separat zu betrachtenden Geschehensabläufen im Bad und im Wohnzimmer konnte nicht die Rede sein. Die Antragstellerin war nach eigenen Angaben bereits ca. 20 Minuten vor den Patenkindern vor Ort.
Die Antragstellerin hat nichts unternommen, was ihr vorangehendes Verhalten in einem milderen Licht hätte erscheinen lassen können. Obwohl mind. ein Student sich ca. 30 (!) Minuten lang in der vorbeschriebenen Auslieferungssituation befunden hat und Geräusche von umfallenden Flaschen zu hören waren, die das von vornherein zu besorgende "Abfüllen" nur bestätigen konnten, hat sie und die andere Patin lediglich nachgefragt, ob alles in Ordnung sei, und sich mit der bejahenden Antwort durch den weiteren Paten begnügt. Es wurde weder die Tür geöffnet, um sich selbst ein Bild von der Lage zu machen, noch wurden die Mitpaten aufgefordert, die Prozedur abzubrechen. Inwieweit ihr Verhalten auch strafrechtliche Relevanz hat, war für die Frage eines schweren Verstoßes gegen ihre Pflichten aus dem Studienvertrag unerheblich.
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