Unterbringung der Kinder einer inhaftierten IS-Rückkehrerin
OLG Frankfurt a.M. v. 19.5.2020 - 4 UF 82/20 u.a.
Der Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerin wendete sich gegen den vorläufigen Entzug der elterlichen Sorge für ihre vier Kinder im Alter zwischen einem und vier Jahren. Sie lebte von 1999 bis Ende 2014 überwiegend in Deutschland und besitzt die deutsche und die syrische Staatsangehörigkeit. Ende 2014 reiste sie nach Syrien aus, um sich dort dem sog. Islamischen Staat anzuschließen. In Syrien schloss sie eine islamische Ehe, aus der zwei Kinder hervorgingen. Der Vater der Kinder soll bei einem Bombenangriff ums Leben gekommen sein. Anschließend siedelte die Beschwerdeführerin nach Idlib über und schloss dort eine islamische Ehe, aus der Zwillinge hervorgegangen sind. Kurze Zeit nach der Geburt floh sie ohne ihren Ehemann mit ihren vier Kindern zu Verwandten ihrer Mutter in der Türkei. Dort befand sie sich ab September 2019 in Abschiebehaft. Im Zuge ihrer Abschiebung nach Deutschland im Dezember 2019 wurde sie bei ihrer Einreise auf dem Flughafen Frankfurt a.M. festgenommen und befindet sich seitdem in Untersuchungshaft.
Ihre vier Kinder wurden in Obhut genommen und in Bereitschaftspflegefamilien untergebracht. Das AG entzog der Mutter im Wege der einstweiligen Anordnung die vollständige elterliche Sorge und übertrug sie auf das Jugendamt. Hiergegen richteten sich die Beschwerden der Mutter, die eine Unterbringung ihrer Kinder bei ihrer - unter Betreuung stehenden - Mutter, der Großmutter der Kinder, in Deutschland anstrebt.
Die Beschwerden hatten auch vor dem OLG keinen Erfolg. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Die Gründe:
In die elterliche Sorge kann nur gerichtlich eingegriffen werden, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden. Im Eilverfahren - wie hier - muss zudem ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden bestehen. In diesem Fall ist ein solcher Eingriff durch eine sofortige Fremdunterbringung der Kinder erforderlich.
Unerheblich für diese Entscheidung ist dabei jedoch, ob die Mutter weiterhin noch islamistischem Gedankengut anhängt und nicht bereit ist, ihre Kinder in einer den Vorgaben der deutschen Rechtsordnung genügenden Art und Weise zu erziehen. Infolge ihrer Inhaftierung steht sie für die Erziehung, Betreuung und Versorgung derzeit ohnehin nicht zur Verfügung.
Die von der Mutter angestrebte Unterbringung der Kinder bei der Großmutter ist jedoch zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch mit einer erheblichen Gefährdung des Kindeswohls verbunden. Dass die Großmutter selbst unter Betreuung steht, reicht allerdings für die Feststellung der Kindeswohlgefährdung ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht aus. Anhaltspunkte für eine islamistische Gesinnung der Großmutter liegen ebenfalls nicht vor. Die Aufnahme der vier Kinder im Alter zwischen einem und vier Jahren in den Haushalt der den Kindern bislang nicht persönlich bekannten, selbst auf Unterstützung angewiesenen Großmutter setzt aber jedenfalls umfangreiche Vorbereitungen voraus. Es ist davon auszugehen, dass alle Kinder nicht nur aufgrund ihres geringen Alters, sondern auch aufgrund des Erlebens von Krieg und Flucht einen erhöhten Bedarf an Zuwendung und Aufmerksamkeit haben. Bei einem Wechsel der Kinder in den Haushalt der Großmutter sind eine Überforderung der Kinder und der Großmutter sowie daraus drohende schwere Schäden für die seelische Entwicklung der Kinder zu vermeiden.
Es bedarf deshalb einer Vorbereitung der Kinder im Sinne einer umsichtigen Anbahnung des Umzugs zur Großmutter als auch einer Vorbereitung der zur Unterstützung der Großmutter erforderlichen Hilfen. Insbesondere ist vorab zu klären, wie die Kinder in der Wohnung untergebracht werden, welche Kinderausstattung dort benötigt wird, wie die Kontaktanbahnung zu der Großmutter erfolgen soll und welche konkrete Unterstützung durch Familienangehörige und durch öffentliche Hilfen bzw. Einrichtungen die Großmutter bei der Betreuung und Versorgung der Kinder erhält.
OLG Frankfurt a.M. PM Nr. 55 vom 6.7.2020
Die Beschwerdeführerin wendete sich gegen den vorläufigen Entzug der elterlichen Sorge für ihre vier Kinder im Alter zwischen einem und vier Jahren. Sie lebte von 1999 bis Ende 2014 überwiegend in Deutschland und besitzt die deutsche und die syrische Staatsangehörigkeit. Ende 2014 reiste sie nach Syrien aus, um sich dort dem sog. Islamischen Staat anzuschließen. In Syrien schloss sie eine islamische Ehe, aus der zwei Kinder hervorgingen. Der Vater der Kinder soll bei einem Bombenangriff ums Leben gekommen sein. Anschließend siedelte die Beschwerdeführerin nach Idlib über und schloss dort eine islamische Ehe, aus der Zwillinge hervorgegangen sind. Kurze Zeit nach der Geburt floh sie ohne ihren Ehemann mit ihren vier Kindern zu Verwandten ihrer Mutter in der Türkei. Dort befand sie sich ab September 2019 in Abschiebehaft. Im Zuge ihrer Abschiebung nach Deutschland im Dezember 2019 wurde sie bei ihrer Einreise auf dem Flughafen Frankfurt a.M. festgenommen und befindet sich seitdem in Untersuchungshaft.
Ihre vier Kinder wurden in Obhut genommen und in Bereitschaftspflegefamilien untergebracht. Das AG entzog der Mutter im Wege der einstweiligen Anordnung die vollständige elterliche Sorge und übertrug sie auf das Jugendamt. Hiergegen richteten sich die Beschwerden der Mutter, die eine Unterbringung ihrer Kinder bei ihrer - unter Betreuung stehenden - Mutter, der Großmutter der Kinder, in Deutschland anstrebt.
Die Beschwerden hatten auch vor dem OLG keinen Erfolg. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Die Gründe:
In die elterliche Sorge kann nur gerichtlich eingegriffen werden, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden. Im Eilverfahren - wie hier - muss zudem ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden bestehen. In diesem Fall ist ein solcher Eingriff durch eine sofortige Fremdunterbringung der Kinder erforderlich.
Unerheblich für diese Entscheidung ist dabei jedoch, ob die Mutter weiterhin noch islamistischem Gedankengut anhängt und nicht bereit ist, ihre Kinder in einer den Vorgaben der deutschen Rechtsordnung genügenden Art und Weise zu erziehen. Infolge ihrer Inhaftierung steht sie für die Erziehung, Betreuung und Versorgung derzeit ohnehin nicht zur Verfügung.
Die von der Mutter angestrebte Unterbringung der Kinder bei der Großmutter ist jedoch zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch mit einer erheblichen Gefährdung des Kindeswohls verbunden. Dass die Großmutter selbst unter Betreuung steht, reicht allerdings für die Feststellung der Kindeswohlgefährdung ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht aus. Anhaltspunkte für eine islamistische Gesinnung der Großmutter liegen ebenfalls nicht vor. Die Aufnahme der vier Kinder im Alter zwischen einem und vier Jahren in den Haushalt der den Kindern bislang nicht persönlich bekannten, selbst auf Unterstützung angewiesenen Großmutter setzt aber jedenfalls umfangreiche Vorbereitungen voraus. Es ist davon auszugehen, dass alle Kinder nicht nur aufgrund ihres geringen Alters, sondern auch aufgrund des Erlebens von Krieg und Flucht einen erhöhten Bedarf an Zuwendung und Aufmerksamkeit haben. Bei einem Wechsel der Kinder in den Haushalt der Großmutter sind eine Überforderung der Kinder und der Großmutter sowie daraus drohende schwere Schäden für die seelische Entwicklung der Kinder zu vermeiden.
Es bedarf deshalb einer Vorbereitung der Kinder im Sinne einer umsichtigen Anbahnung des Umzugs zur Großmutter als auch einer Vorbereitung der zur Unterstützung der Großmutter erforderlichen Hilfen. Insbesondere ist vorab zu klären, wie die Kinder in der Wohnung untergebracht werden, welche Kinderausstattung dort benötigt wird, wie die Kontaktanbahnung zu der Großmutter erfolgen soll und welche konkrete Unterstützung durch Familienangehörige und durch öffentliche Hilfen bzw. Einrichtungen die Großmutter bei der Betreuung und Versorgung der Kinder erhält.