Unterbringung des Kindes bei der Großmutter
OLG Frankfurt a.M. v. 27.5.2024 - 6 UF 86/24
Der Sachverhalt:
Der Kindesvater ist syrischer Staatsangehöriger, die Kindesmutter ist thailändische Staatsangehörige. Das betroffene Kind A. ist zwei Jahre und neun Monate alt und hat die deutsche und thailändische Staatsangehörigkeit. Die Eltern sind nicht miteinander verheiratet. Die Kindesmutter leidet unter einer Borderline-Störung und steht unter gesetzlicher Betreuung. Sie hat einen weiteren Sohn aus einer vorangegangenen Beziehung, der in Verwandtenpflege über das Jugendamt bei der Großmutter väterlicherseits lebt.
Die Großmutter der A. wandte sich im September 2023 an das Jugendamt un.d berichtete von fehlender Förderung und Entwicklungsverzögerungen bei dem Jungen. Die Familie wurde daraufhin durch eine Sozialpädagogische Familienhilfe unterstützt und es wurde ein Schutzplan installiert, nachdem die Eltern ihre Überforderung eingeräumt hatten. Im Januar 2024 stellte der Träger der eingesetzten Hilfe fest, dass die Wohnung nach wie vor unzureichend sauber sei, stufte die instabile psychische Verfassung der Kindesmutter und die schwierige finanzielle Situation als Kindeswohlgefährdung ein.
Mitte Februar 2024 wechselte A. in den Haushalt der Großmutter väterlicherseits, nachdem der Familie der Strom abgestellt worden war. Die Großmutter bewohnt eine 80 m² große Vierzimmerwohnung, in der gegenwärtig auch noch drei ihrer Söhne leben. Sie hat ihre Berufstätigkeit im Dezember 2023 aufgegeben, um die Familie zu unterstützen.
Das AG hat eine Verfahrensbeiständin bestellt. Der war u.a. aufgefallen, dass sich A. gegenüber erwachsenen Männern negativ und zuweilen panikhaft verhalte. Gerade im Haushalt der Großmutter müsse A. mit ihren erwachsenen Onkeln in Berührung gekommen sein. Für die Dauer eines einzuholenden Erziehungsfähigkeitsgutachtens empfahl sie den Verbleib des Kindes in der Bereitschaftspflegefamilie. Es sei zweifelhaft, ob die Großmutter Hilfen des Jugendamtes gegenüber offen wäre.
Mit Beschluss vom 24.4.2024 hat das AG von Maßnahmen gem. § 1666 BGB abgesehen. Das Kindeswohl sei bei einer Rückführung in den Haushalt der Großmutter väterlicherseits für hinreichend gesichert anzusehen. Die Einschätzung des Jugendamtes, wonach es ein Spannungsverhältnis zwischen Großmutter und Kindesmutter gebe, sei zwar zutreffend. Diese Spannungen reichten jedoch nicht aus, um A. ohne weiteres Gutachten außerfamiliär unterzubringen.
Das OLG hat die hiergegen gerichtete Beschwerde des Jugendamtes zurückgewiesen.
Die Gründe:
Die gem. §§ 57 S. 2 Nr. 1, 58 ff. FamFG zulässige, insbesondere statthafte sowie form- und fristgerecht erhobene, Beschwerde war unbegründet.
Das AG ist mit zutreffenden Erwägungen davon ausgegangen, dass aufgrund des Ergebnisses der Sachverhaltsermittlung im Eilverfahren nicht von einer grundsätzlich fehlenden Erziehungseignung der Großmutter ausgegangen werden kann. Der Senat hat zunächst keinen Zweifel daran, dass die Grundversorgung des Kindes bei der Großmutter gesichert ist und zwischen beiden eine liebevolle und tragfähige Beziehung besteht. Aus der ausführlichen Anhörung der Großmutter haben sich entgegen der Auffassung der Beschwerde auch sonst keine Anhaltspunkte für deren fehlende Fähigkeit zur Erziehung, Betreuung und Versorgung des hier betroffenen Kindes im Kleinkindalter ergeben. Zweifel an der Erziehungsfähigkeit ergeben sich insbesondere auch nicht aus dem zur Begründung der Beschwerde angeführten konfliktreichen Verhältnis von Kindesmutter und Großmutter.
Auch soweit im Verfahren der einstweiligen Anordnung davon auszugehen ist, dass ein Kind mangels Erziehungsfähigkeit der Eltern nicht in deren Haushalt ohne Gefährdung seines Wohls verbleiben kann, besteht keine Veranlassung für einen vorläufigen Entzug des Sorgerechts nach §§ 1666 Abs. 3 Nr. 6, 1666a BGB i.V.m. § 49 FamFG, wenn die Eltern mit der Unterbringung des Kindes bei seiner Großmutter einverstanden sind und das Kind dort nicht gefährdet ist. Das AG hat insofern zutreffend darauf verwiesen, dass die Unterbringung des Kindes bei seiner Großmutter grundsätzlich besser geeignet erscheint, eine spätere Wiederherstellung der elterlichen Familie, die stets vorrangiges Ziel der zum Schutz der Kinder zu ergreifenden Maßnahmen sein muss (vgl. BVerfG, v. 22.5.2014 - 1 BvR 2882/13), vorzubereiten als die derzeitige Unterbringung bei einer Bereitschaftspflegefamilie ohne ausreichenden Kontakt zu den Eltern und der Großmutter.
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Die Großmutter der A. wandte sich im September 2023 an das Jugendamt un.d berichtete von fehlender Förderung und Entwicklungsverzögerungen bei dem Jungen. Die Familie wurde daraufhin durch eine Sozialpädagogische Familienhilfe unterstützt und es wurde ein Schutzplan installiert, nachdem die Eltern ihre Überforderung eingeräumt hatten. Im Januar 2024 stellte der Träger der eingesetzten Hilfe fest, dass die Wohnung nach wie vor unzureichend sauber sei, stufte die instabile psychische Verfassung der Kindesmutter und die schwierige finanzielle Situation als Kindeswohlgefährdung ein.
Mitte Februar 2024 wechselte A. in den Haushalt der Großmutter väterlicherseits, nachdem der Familie der Strom abgestellt worden war. Die Großmutter bewohnt eine 80 m² große Vierzimmerwohnung, in der gegenwärtig auch noch drei ihrer Söhne leben. Sie hat ihre Berufstätigkeit im Dezember 2023 aufgegeben, um die Familie zu unterstützen.
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Die Gründe:
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Auch soweit im Verfahren der einstweiligen Anordnung davon auszugehen ist, dass ein Kind mangels Erziehungsfähigkeit der Eltern nicht in deren Haushalt ohne Gefährdung seines Wohls verbleiben kann, besteht keine Veranlassung für einen vorläufigen Entzug des Sorgerechts nach §§ 1666 Abs. 3 Nr. 6, 1666a BGB i.V.m. § 49 FamFG, wenn die Eltern mit der Unterbringung des Kindes bei seiner Großmutter einverstanden sind und das Kind dort nicht gefährdet ist. Das AG hat insofern zutreffend darauf verwiesen, dass die Unterbringung des Kindes bei seiner Großmutter grundsätzlich besser geeignet erscheint, eine spätere Wiederherstellung der elterlichen Familie, die stets vorrangiges Ziel der zum Schutz der Kinder zu ergreifenden Maßnahmen sein muss (vgl. BVerfG, v. 22.5.2014 - 1 BvR 2882/13), vorzubereiten als die derzeitige Unterbringung bei einer Bereitschaftspflegefamilie ohne ausreichenden Kontakt zu den Eltern und der Großmutter.
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