28.08.2023

Verjährungshemmung auch bei Sammelklage durch Inkassodienstleister mit vorheriger rechtskräftiger Abweisung?

Die Erhebung der Sammelklage durch einen Inkassodienstleister bewirkt auch dann eine Verjährungshemmung zugunsten des Geschädigten, wenn die Klage hinsichtlich seiner Ansprüche wegen fehlender Aktivlegitimation des Inkassodienstleisters rechtskräftig abgewiesen worden ist. Der Senat hat die Revision zugelassen, um eine höchstrichterliche Klärung der im Zusammenhang mit der Hemmungswirkung der "Sammelklage" in der hier vorliegenden Konstellation einer die Wirksamkeit der Abtretung verneinenden rechtskräftigen Vorentscheidung zu ermöglichen.

OLG Düsseldorf v. 10.8.2023 - 6 U 133/22
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Kauf eines in den sog. "VW-Abgasskandal" involvierten Neufahrzeugs des Typs Audi A4, das mit einem von der Beklagten entwickelten und hergestellten Dieselmotor der Baureihe EA 189 ausgestattet ist. Das LG hat die Klage abgewiesen. Etwaige Schadenersatzansprüche seien mit Schluss des Jahres 2019 verjährt. Eine Hemmung der Verjährung durch die Klage des Inkassodienstleisters A-GmbH sei nicht eingetreten. Diese Klage sei nicht von dem Berechtigten erhoben worden, da die der Rechtsverfolgung zugrundeliegende Abtretung unwirksam sei.

Auf die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hat das OLG das Urteil abgeändert und der Klage weitestgehend stattgegeben. Allerdings wurde zwecks höchstrichterlicher Klärung die Revision zum BGH zugelassen.

Die Gründe:
Dem Kläger steht gegen die Beklagte unter Berücksichtigung des anzurechnenden Nutzungsvorteils ein Anspruch auf Schadensersatz i.H.v. noch rund 25.530 € zu, der Zug um Zug gegen Übereignung des streitbefangenen Fahrzeugs zu leisten ist. Darüber hinaus hat der Kläger einen Anspruch auf Feststellung des Annahmeverzuges der Beklagten mit der Entgegennahme dieses Fahrzeugs sowie auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte als Herstellerin des Motors des Typs EA 189, der über eine auf Täuschung angelegte Umschaltlogik verfügt (grundlegend BGH, Urt. v. 25.5.2020 - VI ZR 252/19), ein Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung aus § 826 BGB zu. Die Haftung der Beklagten aus § 826 BGB ist dem Grunde nach auch für den hier gegebenen Fall geklärt, dass die Beklagte nicht Herstellerin des Fahrzeugs ist, sondern nur Entwicklerin und Lieferantin des eingebauten Dieselmotors des Typs EA 189 (vgl. zu einem Skoda Yeti: BGH, Urt. v. 19.10.2021 - VI ZR 148/20; zu einem Audi: Urt. v. 14.7.2022 - VII ZR 422/21; Urt. v. 25.10.2022 - VI ZR 68/20). Entscheidend ist danach, dass die Beklagte mit der Herstellung des Motors und der Programmierung der Motorsteuerungssoftware auch für die Fahrzeugmodelle ihrer Tochtergesellschaften die Typgenehmigungsbehörde arglistig getäuscht und sich die Arglosigkeit und das Vertrauen der Fahrzeugkäufer in die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben zunutze gemacht hat.

Der Anspruch des Klägers ist ungeachtet des Beginns der dreijährigen Regelverjährungsfrist nach § 195 BGB mit dem Schluss des Jahres 2016 und der in diesem Verfahren erst am 13.8.2021 bewirkten Klagezustellung noch durchsetzbar. Dem steht zwar grundsätzlich die seitens der Beklagten erhobene Verjährungseinrede entgegen, § 214 Abs. 1 BGB. Das LG ist aber zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Anspruch verjährt ist. Der Ablauf der Verjährungsfrist ist zunächst durch die Erhebung der "Sammelklage" der A-GmbH und sodann durch die eigene Klage des Klägers rechtzeitig und wirksam gehemmt worden, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Die hemmende Wirkung ist der "Sammelklage" insbesondere nicht deshalb abzusprechen, weil das LG Ingolstadt angenommen hat, die A-GmbH sei zur gerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche mangels wirksamer Abtretung nicht berechtigt, und das - fehlerhafte - Urteil in Bezug auf die Ansprüche des Klägers rechtskräftig ist.

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung genügt es in sog. Diesel-Fällen für den Beginn der Verjährung gem. § 199 Abs. 1 BGB, dass der geschädigte Fahrzeugkäufer Kenntnis vom sog. Dieselskandal im Allgemeinen, von der konkreten Betroffenheit seines Fahrzeugs und von der Relevanz dieser Betroffenheit für seine Kaufentscheidung hat, wobei letztere Kenntnis nicht gesondert festgestellt werden muss, sondern naturgemäß beim Geschädigten vorhanden ist (vgl. nur BGH, Urt. v. 14.7.2022 - VII ZR 422/21). Die "Sammelklage" ist schon nicht allein deshalb von der A-GmbH als Nichtberechtigte im verjährungsrechtlichen Sinne erhoben worden, weil die Abtretung aus rein prozessualen Gründen als nichtig zu behandeln wäre. Berechtigt zur Geltendmachung von Ansprüchen ist neben dem ursprünglichen Forderungsinhaber und seinem Rechtsnachfolger auch der gesetzliche oder gewillkürte Prozessstandschafter. Entscheidend ist nicht die Rechtsinhaberschaft, sondern die Befugnis zur klageweisen Geltendmachung der Ansprüche. Von einer solchen Befugnis der A-GmbH war hier auszugehen, da der Kläger ihr seinen Anspruch treuhänderisch und gerade "zum Zwecke des Forderungseinzugs" abgetreten hatte.

Der Senat hat die Revision zugelassen, um eine höchstrichterliche Klärung der im Zusammenhang mit der Hemmungswirkung der "Sammelklage" in der hier vorliegenden Konstellation einer die Wirksamkeit der Abtretung verneinenden rechtskräftigen Vorentscheidung zu ermöglichen.

Mehr zum Thema:

Kurzbeitrag:
EuGH: Diesel-Skandal begründet individuelle Schadensersatzansprüche aus Delikt
ZIP 2023, R4

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