13.10.2023

Verkehrsunfall: Streit um angeblich günstigere Alternativwerkstätten

Der Geschädigte verhält sich entsprechend dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und bewegt sich in den für die Schadensbehebung nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB gezogenen Grenzen, wenn er der Schadensabrechnung die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legt, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat. Die unter Beweis gestellte Behauptung ersetzt nicht den Vortrag der darlegungsbelasteten Beklagten, dass die Werkstatt das Fahrzeug zum kalkulierten Gesamtpreis reparieren wird und dem Kläger eine entsprechende Reparatur ohne weiteres zugänglich ist.

AG Bonn v. 2.9.2023 - 106 C 125/21
Der Sachverhalt:
Der Kläger machte Restansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 1.3.2019 ereignet hatte und für den die Beklagte vollständig eintrittspflichtig war. Der PKW des Klägers (Skoda Octavia) wurde dabei erheblich beschädigt. Die Beklagte nahm auf Grundlage eines Prüfberichts der Fa. D GmbH bei der Regulierung verschiedene Abzüge vor. Sie zahlte auf dieser Grundlage vorprozessual einen Gesamtbetrag i.H.v. 14.147 €.

Der Kläger machte hierzu geltend, die nicht akzeptierten technischen Abzüge seien nicht gerechtfertigt. Die Beklagte könne den Kläger nicht auf der Grundlage des Prüfberichts auf eine günstigere Alternativwerkstatt verweisen. In diesem Zusammenhang stellte der Kläger in Abrede, dass die benannten Alternativwerkstätten den Unfallschaden tatsächlich zu den genannten Konditionen beseitigen würden. Die beanspruchte Wertminderung für das Klägerfahrzeug von 3.000 € sei zutreffend. Die Kosten für die ergänzenden Stellungnahmen des Sachverständigen seien erstattungsfähig.

Der Kläger verlangte von der Beklagten weitere 4.281 €. Nachdem die Beklagte nach Rechtshängigkeit auf die Kosten für die ergänzenden Stellungnahmen des Privatsachverständigen eine weitere Zahlung von 699 € vorgenommen hatte, haben die Parteien den Rechtsstreit in dieser Höhe übereinstimmend für erledigt erklärt. Das AG hat die Beklagte dazu verurteilt, an den Kläger weitere 2.279 € zu zahlen.

Die Gründe:
Dem Kläger stehen weitere Reparaturkosten i.H.v. 2.279 € netto zu.

Von der insoweit streitgegenständlichen Forderung war ein weiterer technischer Abzug i.H.v. 51,99 € netto vorzunehmen. Ein weiterer Abzug von den Reparaturkosten war im Streitfall nicht durch den Verweis auf die von der Beklagten benannte Alternativwerkstatt gerechtfertigt. Nach BGH-Rechtsprechung (Urt. v. 22.6.2010 - VI ZR 337/09) verhält sich der Geschädigte entsprechend dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und bewegt sich in den für die Schadensbehebung nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB gezogenen Grenzen, wenn er der Schadensabrechnung die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legt, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat.

Die Ausnahme von diesem Grundsatz ist, dass der Schädiger den Geschädigten unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gem. § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen "freien Fachwerkstatt" verweisen kann, wenn er darlegt und gegebenenfalls beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht, und wenn er gegebenenfalls vom Geschädigten aufgezeigte Umstände widerlegt, die diesem eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen würden. Die Beklagte war ihrer Darlegungslast jedoch nicht gerecht geworden.

Dem allein zur Substantiierung des Einwandes vorgelegten Prüfbericht ließ sich bereits nicht hinreichend deutlich entnehmen, ob die genannten beiden Alternativwerkstätten - im schriftsätzlichen Vortrag war konkret nur noch von einer der Werkstätten die Rede - sowohl die technischen Abzüge, als auch die im Prüfbericht genannten Stundenverrechnungssätze für die konkret erforderliche Reparatur akzeptieren und die Instandsetzung zu der im Prüfbericht vorgenommenen Gesamtkalkulation vornehmen würden. Damit war nicht in ausreichender Weise dargelegt, dass die benannte Werkstatt die erforderlichen Instandsetzungsarbeiten tatsächlich zu den im Prüfbericht genannten Gesamtkalkulation, vornehmen würde und eine entsprechende Reparaturalternative für den Kläger tatsächlich verfügbar war. Die unter Beweis gestellte Behauptung ersetzt nicht den Vortrag der darlegungsbelasteten Beklagten, dass die Werkstatt das Fahrzeug zum kalkulierten Gesamtpreis reparieren wird und dem Kläger eine entsprechende Reparatur ohne weiteres zugänglich ist.

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