Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 GrdstVG - Vorlage eines sog. Vollzugsvertrags reicht nicht
BGH v. 15.5.2020 - V ZR 18/19
Der Sachverhalt:
der Kläger hatte im Dezember 2010 landwirtschaftliche Flächen an H. M. verkauft. Die Beklagte übte als Siedlungsunternehmen in der Folgezeit ihr gesetzliches Vorkaufsrecht aus. In dem daraufhin am 25.10.2011 geschlossenen notariellen Vertrag übernahm die Beklagte die in dem Kaufvertrag mit H. M. enthaltene Vereinbarung über ein Wiederkaufsrecht des Klägers. Zur Sicherung der Rückübertragungsansprüche wurden Vormerkungen in das Grundbuch eingetragen. Die Beklagte verkaufte die Flächen anschließend teils an den einen Streithelfer, teils an den anderen Streithelfer; diese sind im Grundbuch als Eigentümer eingetragen.
Mit Schreiben vom 13.7.2015 übte der Kläger sein Wiederkaufsrecht aus. Am 11.6.2018 beantragte er die Genehmigung des Wiederkaufs nach § 9 GrdstVG. Dem Antrag war ein nicht unterschriebener notarieller Entwurf eines Vertrages über den "Rückkauf" der Grundstücke beigefügt. Unter dem 14.6.2018 sandte die Genehmigungsbehörde dem Kläger die Antragsunterlagen zurück und teilte ihm mit, dass der Antrag nicht bearbeitet werden könne, weil kein unterschriebener Rückkaufvertragsentwurf nebst Auflassung vorgelegt worden sei.
Der Kläger verlangte daraufhin von der Beklagten, die näher bezeichneten Grundstücke an ihn aufzulassen und die Eintragung des Eigentumswechsels im Grundbuch zu bewilligen Zug um Zug gegen Zahlung des Wiederkaufpreises von rund 252.656 €. Das LG hat die Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat das OLG ihr stattgegeben. Auf die zugelassene und von den Streithelfern eingelegte Revision hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Berufung zurück.
Gründe:
Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht angenommen, dass die grundstücksverkehrsrechtliche Genehmigung gem. § 6 Abs. 2 GrdstVG infolge Fristablaufs als erteilt gilt.
Noch zutreffend ist es zwar davon ausgegangen, dass in dem Schreiben der Genehmigungsbehörde vom 14.6.2018, mit dem sie dem Kläger die Antragsunterlagen zurückgesandt hatte, keine - zur Unwirksamkeit des Wiederkaufs führende - Versagung der Genehmigung zu sehen ist. Die Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB sind auf öffentlich-rechtliche Erklärungen entsprechend anzuwenden. Bei Verwaltungsakten kommt es wie bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen nicht auf den wirklichen Willen des Erklärenden, sondern auf den objektiven Erklärungsinhalt an. Maßgeblich ist, wie der Empfänger die Erklärung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der für ihn erkennbaren Umstände verstehen musste. Dabei ist von dem Wortlaut der Erklärung auszugehen und deren objektiver Gehalt unter Berücksichtigung des Empfängerhorizonts zu ermitteln.
Danach kann das Schreiben der Behörde weder formal nach dem äußeren Erscheinungsbild noch inhaltlich als verfahrensabschließender Verwaltungsakt qualifiziert werden. Das Schreiben enthält weder eine Entscheidungsformel, die auf eine Zurückweisung des Antrages schließen lässt, noch eine Rechtsbehelfsbelehrung. Auch sein Inhalt deutet nicht auf eine ablehnende Entscheidung hin. Eine Zurückweisung wäre zu diesem Zeitpunkt auch verfahrensfehlerhaft gewesen. Für das Verfahren der nach dem Grundstücksverkehrsgesetz zuständigen Behörden ist das maßgebliche Verwaltungsverfahrensgesetz anzuwenden, soweit nicht im Grundstücksverkehrsgesetz etwas Abweichendes bestimmt ist.
Nach § 1 Abs. 1 NVwVfG i.V.m. § 25 Abs. 2 Satz 1 VwVfG erörtert die Behörde, soweit erforderlich, welche Nachweise und Unterlagen von dem Antragsteller zu erbringen sind, und sie soll nach § 25 Abs. 2 Satz 2 VwVfG dem Antragsteller nach Eingang des Antrags unverzüglich Auskunft über die Vollständigkeit der Antragsunterlagen geben. Die Behörde ist hiervon ausgegangen. Sie hat unter Hinweis auf die Unvollständigkeit der Unterlagen zu erkennen gegeben, dass es an einer geeigneten Entscheidungsgrundlage fehlt und sie deshalb nicht in der Lage ist, eine Entscheidung zu treffen. Das Schreiben ist daher dahin zu verstehen, dass dem Kläger Gelegenheit zur Ergänzung der Unterlagen gegeben werden sollte.
Die Genehmigungsfiktion des § 6 Abs. 2 GrdstVG ist aber nicht eingetreten, weil der Antrag des Klägers die Frist des § 6 Abs. 1 Satz 1 GrdstVG für die Genehmigung des Wiederkaufvertrags mangels Vorlage vollständiger Urkunden nicht in Gang gesetzt hat. § 6 Abs. 1 Satz 1 GrdstVG bestimmt, dass die Entscheidung über die Genehmigung binnen einem Monat nach Eingang des Antrags und der Urkunde über das zu genehmigende Rechtsgeschäft bei der örtlich zuständigen Genehmigungsbehörde zu treffen ist. Nach § 6 Abs. 2 GrdstVG gilt die Genehmigung mit Fristablauf als erteilt, wenn die Genehmigungsbehörde nicht vorher über den Antrag entscheidet oder die Frist verlängert. Die Frist beginnt mit Eingang der vollständigen Unterlagen zu laufen. Die Vollständigkeit der Unterlagen bestimmt sich objektiv nach den gesetzlichen Vorgaben; der Behörde steht kein Beurteilungsspielraum zu.
Vollständig ist der Genehmigungsantrag nur, wenn mit ihm die Urkunde über das zu genehmigende Rechtsgeschäft vorgelegt wird (§ 6 Abs. 1 Satz 1 GrdstVG). Vorzulegen ist jedenfalls die Urkunde über das schuldrechtliche Grundgeschäft. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GrdstVG bedarf nicht nur die rechtsgeschäftliche Veräußerung eines Grundstücks, sondern auch der schuldrechtliche Vertrag hierüber der Genehmigung. Hiervon macht § 2 Abs. 1 Satz 2 GrdstVG nur insoweit eine Ausnahme, als mit der Genehmigung des schuldrechtlichen Vertrages auch die Auflassung als genehmigt gilt. Das dingliche Übertragungsgeschäft kann hingegen - von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen - nicht ohne das schuldrechtliche Grundgeschäft genehmigt werden.
BGH online
der Kläger hatte im Dezember 2010 landwirtschaftliche Flächen an H. M. verkauft. Die Beklagte übte als Siedlungsunternehmen in der Folgezeit ihr gesetzliches Vorkaufsrecht aus. In dem daraufhin am 25.10.2011 geschlossenen notariellen Vertrag übernahm die Beklagte die in dem Kaufvertrag mit H. M. enthaltene Vereinbarung über ein Wiederkaufsrecht des Klägers. Zur Sicherung der Rückübertragungsansprüche wurden Vormerkungen in das Grundbuch eingetragen. Die Beklagte verkaufte die Flächen anschließend teils an den einen Streithelfer, teils an den anderen Streithelfer; diese sind im Grundbuch als Eigentümer eingetragen.
Mit Schreiben vom 13.7.2015 übte der Kläger sein Wiederkaufsrecht aus. Am 11.6.2018 beantragte er die Genehmigung des Wiederkaufs nach § 9 GrdstVG. Dem Antrag war ein nicht unterschriebener notarieller Entwurf eines Vertrages über den "Rückkauf" der Grundstücke beigefügt. Unter dem 14.6.2018 sandte die Genehmigungsbehörde dem Kläger die Antragsunterlagen zurück und teilte ihm mit, dass der Antrag nicht bearbeitet werden könne, weil kein unterschriebener Rückkaufvertragsentwurf nebst Auflassung vorgelegt worden sei.
Der Kläger verlangte daraufhin von der Beklagten, die näher bezeichneten Grundstücke an ihn aufzulassen und die Eintragung des Eigentumswechsels im Grundbuch zu bewilligen Zug um Zug gegen Zahlung des Wiederkaufpreises von rund 252.656 €. Das LG hat die Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat das OLG ihr stattgegeben. Auf die zugelassene und von den Streithelfern eingelegte Revision hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Berufung zurück.
Gründe:
Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht angenommen, dass die grundstücksverkehrsrechtliche Genehmigung gem. § 6 Abs. 2 GrdstVG infolge Fristablaufs als erteilt gilt.
Noch zutreffend ist es zwar davon ausgegangen, dass in dem Schreiben der Genehmigungsbehörde vom 14.6.2018, mit dem sie dem Kläger die Antragsunterlagen zurückgesandt hatte, keine - zur Unwirksamkeit des Wiederkaufs führende - Versagung der Genehmigung zu sehen ist. Die Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB sind auf öffentlich-rechtliche Erklärungen entsprechend anzuwenden. Bei Verwaltungsakten kommt es wie bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen nicht auf den wirklichen Willen des Erklärenden, sondern auf den objektiven Erklärungsinhalt an. Maßgeblich ist, wie der Empfänger die Erklärung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der für ihn erkennbaren Umstände verstehen musste. Dabei ist von dem Wortlaut der Erklärung auszugehen und deren objektiver Gehalt unter Berücksichtigung des Empfängerhorizonts zu ermitteln.
Danach kann das Schreiben der Behörde weder formal nach dem äußeren Erscheinungsbild noch inhaltlich als verfahrensabschließender Verwaltungsakt qualifiziert werden. Das Schreiben enthält weder eine Entscheidungsformel, die auf eine Zurückweisung des Antrages schließen lässt, noch eine Rechtsbehelfsbelehrung. Auch sein Inhalt deutet nicht auf eine ablehnende Entscheidung hin. Eine Zurückweisung wäre zu diesem Zeitpunkt auch verfahrensfehlerhaft gewesen. Für das Verfahren der nach dem Grundstücksverkehrsgesetz zuständigen Behörden ist das maßgebliche Verwaltungsverfahrensgesetz anzuwenden, soweit nicht im Grundstücksverkehrsgesetz etwas Abweichendes bestimmt ist.
Nach § 1 Abs. 1 NVwVfG i.V.m. § 25 Abs. 2 Satz 1 VwVfG erörtert die Behörde, soweit erforderlich, welche Nachweise und Unterlagen von dem Antragsteller zu erbringen sind, und sie soll nach § 25 Abs. 2 Satz 2 VwVfG dem Antragsteller nach Eingang des Antrags unverzüglich Auskunft über die Vollständigkeit der Antragsunterlagen geben. Die Behörde ist hiervon ausgegangen. Sie hat unter Hinweis auf die Unvollständigkeit der Unterlagen zu erkennen gegeben, dass es an einer geeigneten Entscheidungsgrundlage fehlt und sie deshalb nicht in der Lage ist, eine Entscheidung zu treffen. Das Schreiben ist daher dahin zu verstehen, dass dem Kläger Gelegenheit zur Ergänzung der Unterlagen gegeben werden sollte.
Die Genehmigungsfiktion des § 6 Abs. 2 GrdstVG ist aber nicht eingetreten, weil der Antrag des Klägers die Frist des § 6 Abs. 1 Satz 1 GrdstVG für die Genehmigung des Wiederkaufvertrags mangels Vorlage vollständiger Urkunden nicht in Gang gesetzt hat. § 6 Abs. 1 Satz 1 GrdstVG bestimmt, dass die Entscheidung über die Genehmigung binnen einem Monat nach Eingang des Antrags und der Urkunde über das zu genehmigende Rechtsgeschäft bei der örtlich zuständigen Genehmigungsbehörde zu treffen ist. Nach § 6 Abs. 2 GrdstVG gilt die Genehmigung mit Fristablauf als erteilt, wenn die Genehmigungsbehörde nicht vorher über den Antrag entscheidet oder die Frist verlängert. Die Frist beginnt mit Eingang der vollständigen Unterlagen zu laufen. Die Vollständigkeit der Unterlagen bestimmt sich objektiv nach den gesetzlichen Vorgaben; der Behörde steht kein Beurteilungsspielraum zu.
Vollständig ist der Genehmigungsantrag nur, wenn mit ihm die Urkunde über das zu genehmigende Rechtsgeschäft vorgelegt wird (§ 6 Abs. 1 Satz 1 GrdstVG). Vorzulegen ist jedenfalls die Urkunde über das schuldrechtliche Grundgeschäft. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GrdstVG bedarf nicht nur die rechtsgeschäftliche Veräußerung eines Grundstücks, sondern auch der schuldrechtliche Vertrag hierüber der Genehmigung. Hiervon macht § 2 Abs. 1 Satz 2 GrdstVG nur insoweit eine Ausnahme, als mit der Genehmigung des schuldrechtlichen Vertrages auch die Auflassung als genehmigt gilt. Das dingliche Übertragungsgeschäft kann hingegen - von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen - nicht ohne das schuldrechtliche Grundgeschäft genehmigt werden.