Wann fällt die Mittellosigkeit einer Partei weg?
BGH 23.9.2014, II ZB 14/13Die Klägerin ist Insolvenzverwalterin über das Vermögen einer GmbH. Sie hatte die Beklagte als Erbin eines Gründungsgesellschafters auf Zahlung einer Einlage i.H.v. 4.000 € in Anspruch genommen. In einem weiteren Verfahren gegen die Beklagte, in dem die Klägerin von derselben Prozessbevollmächtigten wie in dem vorliegenden Rechtsstreit vertreten wurde, hatte die Klägerin einen auf Zahlung gerichteten Titel i.H.v. 8.500 € erstritten. Das die Klage abweisende Urteil des AG im vorliegenden Verfahren wurde der Klägerin am 11.1.2013 zugestellt.
Am 11.2.2013 stellte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Berufung. Zur Begründung wurde vorgebracht, die Insolvenzmasse sei nicht in der Lage, die Kosten für die Durchführung des Berufungsverfahrens zu tragen. Mit Massezuflüssen sei in näherer Zukunft nicht zu rechnen. Der Titel im Parallelverfahren sei nicht rechtskräftig und die Beklagte habe nicht bezahlt. Nachdem die Beklagte dem Prozesskostenhilfeantrag unter Hinweis auf die mittlerweile eingetretene Rechtskraft ihrer Verurteilung im Parallelverfahren entgegengetreten war, hielt die Klägerin den Antrag unter dem 23.4.2013 aufrecht, weil die Beklagte trotz der Zahlungsaufforderung noch nicht bezahlt habe.
Die Zahlung von 8.500 € war dem Konto der Prozessbevollmächtigten der Klägerin allerdings bereits am 22.4.2013 gutgeschrieben worden. Mit Schriftsatz vom 15.5.2013, bei Gericht eingegangen am 16.5.2013, begehrte die Klägerin Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist, weil die Masse nunmehr ausreiche, um die Kosten für das Berufungsverfahren zu tragen. Der die Gutschrift ausweisende Kontoauszug sei am 25.4.2013 in der Kanzlei ihrer Prozessbevollmächtigten eingegangen. Diese habe am 2.5.2013 davon Kenntnis erlangt und die Klägerin, am 3.5.2013 informiert.
Das LG hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist und die Berufung als unzulässig verworfen. Die Rechtsbeschwerde der Klägerin blieb vor dem BGH erfolglos.
Gründe:
Das LG hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist zu Recht verworfen, weil dieser nicht fristgerecht gestellt worden war.
Der Wiedereinsetzungsantrag muss innerhalb der Zweiwochenfrist des § 234 Abs. 1 S. 1 ZPO gestellt werden. Die Wiedereinsetzungsfrist beginnt gem. § 234 Abs. 2 ZPO, sobald das Hindernis behoben, d.h. die bisherige Ursache der Verhinderung beseitigt oder ihr Fortbestehen nicht mehr unverschuldet ist. Im Fall der Mittellosigkeit der Partei entfällt das Hindernis grundsätzlich spätestens mit der Bekanntgabe des Beschlusses über die Prozesskostenhilfebewilligung. Kann der Antragsteller aber schon früher nicht mehr mit einer Bewilligung der beantragten Prozesskostenhilfe rechnen, beginnt die Wiedereinsetzungsfrist bereits zu diesem Zeitpunkt. Behoben ist das Hindernis dabei schon dann, wenn das Fortbestehen des Hindernisses nicht mehr als unverschuldet angesehen werden kann.
Das Fortbestehen des Hindernisses kann nicht mehr als unverschuldet angesehen werden, sobald die Partei oder ihr Prozessbevollmächtigter bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt den Wegfall des Hindernisses hätten erkennen können. Besteht das zur Fristversäumung führende Hindernis in der Mittellosigkeit der Partei, so fällt dieses dann weg, wenn sich die Vermögensverhältnisse der Partei in einer Weise ändern, dass sie objektiv in die Lage versetzt wird, die Prozesskosten aus eigenen Mitteln aufzubringen, und sie dies auch erkennt oder jedenfalls bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt erkennen könnte.
Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Klägerin waren am 22.4.2013 objektiv weggefallen. Die Klägerin hätte diesen Umstand bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt vor dem 2.5.2013 erkennen können. Die Wiedereinsetzungsfrist von zwei Wochen war daher bereits vor dem 16.5.2013 abgelaufen gewesen. Das Hindernis i.S.d. § 234 Abs. 2 ZPO war nicht erst am 3.5.2013 mit der (positiven) Kenntniserlangung der Klägerin vom Zahlungseingang weggefallen. Insofern war es nicht mit den an einen Prozessbevollmächtigten zu stellenden Sorgfaltspflichten zu vereinbaren, dass der bereits am 25.4.2013 in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin eingegangene Kontoauszug dieser erst am 2.5.2013 vorgelegt wurde.
Der Prozessbevollmächtigte, der eine Partei in zwei Prozessen gegen denselben Prozessgegner vertritt und aufgrund eines in einem der beiden Prozesse erwirkten rechtskräftigen Titels mit einem Zahlungseingang und einer dadurch bewirkten Beseitigung der Mittellosigkeit seiner Partei rechnen kann, ist gehalten, sein Büropersonal anzuweisen, ihm einen entsprechenden, den Zahlungseingang im Parallelverfahren ausweisenden Kontoauszug unverzüglich vorzulegen. Infolgedessen musste sich die Klägerin das Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen, auch wenn diese in der Berufungsinstanz noch nicht nach § 121 ZPO beigeordnet war.
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