Wann gilt die neue Lebensgemeinschaft des Ex-Partners als verfestigt?
OLG Zweibrücken v. 10.12.2020 - 6 UF 74/19
Der Sachverhalt:
Die Parteien sind Eheleute, die seit 1992 verheiratet sind und seit Januar 2014 getrennt leben. Das beim Familiengericht anhängige Scheidungsverfahren wird von den Beteiligten seit geraumer Zeit nicht betrieben. Aus der Ehe zwei Kinder hervorgegangen. Ein Sohn ist körperlich beeinträchtigt und lebt zusammen mit seinem Bruder im Haushalt der Antragsgegnerin.
Der Antragsteller ist vollschichtig erwerbstätig. Er war vom Familiengericht u.a. dazu verpflichtet worden, der Antragstellerin ab Juni 2015 laufenden Trennungsunterhalt i.H.v. monatlich 424 € zu zahlen. Die Antragsgegnerin geht keiner Erwerbstätigkeit nach. Im Rahmen eines Antrages auf Bewilligung von BAföG hat sie angegeben, monatlich einen Betrag von insgesamt 2.487 € zu vereinnahmen.
Der Antragsteller hat behauptet, die Antragsgegnerin lebe bereits seit Dezember 2013 mit ihrem Partner R. zusammen. Auf Drängen der Antragsgegnerin hätte in diesem Zeitpunkt eine notarielle Scheidungsfolgenvereinbarung abgeschlossen werden sollen, in der sie wegen der Beziehung zu R. auf Unterhalt habe verzichten wollen. Auf den Hinweis des Familiengerichts hat der Antragsteller zur Untermauerung seines Vorbringens verschiedene Screenshots und Chat-Verläufe aus dem Zeitraum November 2013 bis September 2014 vorlegen lassen und behauptet, das Auto der Antragsgegnerin habe auch im Sommer 2016 noch regelmäßig auf der Straße vor der Wohnung des R. gestanden. Ebenfalls 2016 habe er beide noch zusammen auf einem Fest gesehen.
Die Antragsgegnerin hat vorgebracht, dass sie zwar zwischenzeitlich ein "Techtelmechtel" mit R. gehabt habe, dieses sei aber spätestens Anfang 2015 beendet gewesen. Seither seien sie nur noch freundschaftlich verbunden. Zu dem Abschluss der in Rede stehenden notariellen Vereinbarung habe der Antragsteller sie zwingen wollen.
Das Familiengericht hat den Antrag auf Entfallen der Unterhaltspflicht zurückgewiesen. Auch die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers vor dem OLG blieb erfolglos.
Die Gründe:
Zutreffend ist das Familiengericht davon ausgegangen, dass das Abänderungsbegehren unbegründet ist, soweit der Antragsteller eine Versagung des Unterhaltsanspruchs im Hinblick auf eine verfestigte neue Lebensgemeinschaft der Antragsgegnerin für sich in Anspruch nimmt.
Der Härtegrund des dauerhaften Zusammenlebens des Unterhaltsberechtigten mit einem neuen Partner nach § 1361 Abs. 3 BGB i.V.m.§ 1579 Nr. 2 BGB stellt keine Sanktion für ein vorwerfbares Verhalten eines Unterhaltsberechtigten dar, sondern trägt den rein objektiven Gegebenheiten bei Veränderungen in den Lebensverhältnissen des bedürftigen Ehegatten Rechnung, soweit danach eine dauerhafte Unterhaltsleistung unzumutbar erscheint. Von einer verfestigten Lebensgemeinschaft i.S.d. Vorschrift kann nur dann ausgegangen werden, wenn die Beziehung nach dem gesamten Erscheinungsbild in solcher Art und Weise gefestigt ist, dass sie als eheähnliches Zusammenleben angesehen werden muss und gleichsam derart an die Stelle der Ehe getreten ist, dass der Unterhaltsberechtigte sich endgültig aus der ehelichen Solidarität herauslöst und zu erkennen gibt, dass er diese nicht mehr benötigt.
Die vom Antragsteller vorgetragenen Umstände ließen keinen verlässlichen Schluss auf das Vorliegen einer verfestigten Lebensgemeinschaft zu. Zu Beginn einer neuen Beziehung wird die überwiegende Mehrheit der beteiligten Partner von deren dauerhaftem Bestand ausgehen. Dass dem nicht so ist, belegen die Scheidungsstatistiken. Aus den subjektiven Einschätzungen und Liebesbekundungen der Partner im Anfangsstadium einer Beziehung kann mithin nicht verlässlich auf eine spätere Verfestigung der Partnerschaft i.S.d. § 1579 Nr. 2 BGB geschlossen werden. Aus diesem Grund wären auch die behaupteten Beweggründe der Antragstellerin für den in Rede stehenden Entwurf einer notariellen Vereinbarung im zeitlichen Zusammenhang mit der Trennung ohne Belang, zumal es nie zu einem entsprechenden Abschluss kam.
Auch die Auffassung, dass bereits nach Ablauf eines Jahres ohne Hinzutreten besonderer Umstände und ohne nähere Prüfung des Einzelfalles generell von einer verfestigten Lebensgemeinschaft i.S.d. § 1361 Abs. 3 BGB i.V.m.§ 1579 Nr. 2 BGB auszugehen sei, kann nicht überzeugen. Zum einen bieten die maßgebenden gesetzlichen Regelungen keine Grundlage für diese Annahme; bei den Härtegründen des § 1579 handelt es sich vielmehr um eng auszulegende Ausnahmetatbestände. Zum anderen werden die von dem BGH aufgestellten Anforderungen sowohl hinsichtlich des maßgebenden zeitlichen Rahmens und der Erforderlichkeit besonderer Umstände für eine Abweichung, als auch der tatrichterlichen Einzelfallbetrachtung missachtet.
Justizportal Rheinland-Pfalz
Die Parteien sind Eheleute, die seit 1992 verheiratet sind und seit Januar 2014 getrennt leben. Das beim Familiengericht anhängige Scheidungsverfahren wird von den Beteiligten seit geraumer Zeit nicht betrieben. Aus der Ehe zwei Kinder hervorgegangen. Ein Sohn ist körperlich beeinträchtigt und lebt zusammen mit seinem Bruder im Haushalt der Antragsgegnerin.
Der Antragsteller ist vollschichtig erwerbstätig. Er war vom Familiengericht u.a. dazu verpflichtet worden, der Antragstellerin ab Juni 2015 laufenden Trennungsunterhalt i.H.v. monatlich 424 € zu zahlen. Die Antragsgegnerin geht keiner Erwerbstätigkeit nach. Im Rahmen eines Antrages auf Bewilligung von BAföG hat sie angegeben, monatlich einen Betrag von insgesamt 2.487 € zu vereinnahmen.
Der Antragsteller hat behauptet, die Antragsgegnerin lebe bereits seit Dezember 2013 mit ihrem Partner R. zusammen. Auf Drängen der Antragsgegnerin hätte in diesem Zeitpunkt eine notarielle Scheidungsfolgenvereinbarung abgeschlossen werden sollen, in der sie wegen der Beziehung zu R. auf Unterhalt habe verzichten wollen. Auf den Hinweis des Familiengerichts hat der Antragsteller zur Untermauerung seines Vorbringens verschiedene Screenshots und Chat-Verläufe aus dem Zeitraum November 2013 bis September 2014 vorlegen lassen und behauptet, das Auto der Antragsgegnerin habe auch im Sommer 2016 noch regelmäßig auf der Straße vor der Wohnung des R. gestanden. Ebenfalls 2016 habe er beide noch zusammen auf einem Fest gesehen.
Die Antragsgegnerin hat vorgebracht, dass sie zwar zwischenzeitlich ein "Techtelmechtel" mit R. gehabt habe, dieses sei aber spätestens Anfang 2015 beendet gewesen. Seither seien sie nur noch freundschaftlich verbunden. Zu dem Abschluss der in Rede stehenden notariellen Vereinbarung habe der Antragsteller sie zwingen wollen.
Das Familiengericht hat den Antrag auf Entfallen der Unterhaltspflicht zurückgewiesen. Auch die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers vor dem OLG blieb erfolglos.
Die Gründe:
Zutreffend ist das Familiengericht davon ausgegangen, dass das Abänderungsbegehren unbegründet ist, soweit der Antragsteller eine Versagung des Unterhaltsanspruchs im Hinblick auf eine verfestigte neue Lebensgemeinschaft der Antragsgegnerin für sich in Anspruch nimmt.
Der Härtegrund des dauerhaften Zusammenlebens des Unterhaltsberechtigten mit einem neuen Partner nach § 1361 Abs. 3 BGB i.V.m.§ 1579 Nr. 2 BGB stellt keine Sanktion für ein vorwerfbares Verhalten eines Unterhaltsberechtigten dar, sondern trägt den rein objektiven Gegebenheiten bei Veränderungen in den Lebensverhältnissen des bedürftigen Ehegatten Rechnung, soweit danach eine dauerhafte Unterhaltsleistung unzumutbar erscheint. Von einer verfestigten Lebensgemeinschaft i.S.d. Vorschrift kann nur dann ausgegangen werden, wenn die Beziehung nach dem gesamten Erscheinungsbild in solcher Art und Weise gefestigt ist, dass sie als eheähnliches Zusammenleben angesehen werden muss und gleichsam derart an die Stelle der Ehe getreten ist, dass der Unterhaltsberechtigte sich endgültig aus der ehelichen Solidarität herauslöst und zu erkennen gibt, dass er diese nicht mehr benötigt.
Die vom Antragsteller vorgetragenen Umstände ließen keinen verlässlichen Schluss auf das Vorliegen einer verfestigten Lebensgemeinschaft zu. Zu Beginn einer neuen Beziehung wird die überwiegende Mehrheit der beteiligten Partner von deren dauerhaftem Bestand ausgehen. Dass dem nicht so ist, belegen die Scheidungsstatistiken. Aus den subjektiven Einschätzungen und Liebesbekundungen der Partner im Anfangsstadium einer Beziehung kann mithin nicht verlässlich auf eine spätere Verfestigung der Partnerschaft i.S.d. § 1579 Nr. 2 BGB geschlossen werden. Aus diesem Grund wären auch die behaupteten Beweggründe der Antragstellerin für den in Rede stehenden Entwurf einer notariellen Vereinbarung im zeitlichen Zusammenhang mit der Trennung ohne Belang, zumal es nie zu einem entsprechenden Abschluss kam.
Auch die Auffassung, dass bereits nach Ablauf eines Jahres ohne Hinzutreten besonderer Umstände und ohne nähere Prüfung des Einzelfalles generell von einer verfestigten Lebensgemeinschaft i.S.d. § 1361 Abs. 3 BGB i.V.m.§ 1579 Nr. 2 BGB auszugehen sei, kann nicht überzeugen. Zum einen bieten die maßgebenden gesetzlichen Regelungen keine Grundlage für diese Annahme; bei den Härtegründen des § 1579 handelt es sich vielmehr um eng auszulegende Ausnahmetatbestände. Zum anderen werden die von dem BGH aufgestellten Anforderungen sowohl hinsichtlich des maßgebenden zeitlichen Rahmens und der Erforderlichkeit besonderer Umstände für eine Abweichung, als auch der tatrichterlichen Einzelfallbetrachtung missachtet.