Wann müssen sich Wohnungseigentümer das Wissen ihres Verwalters zurechnen lassen?
BGH 4.7.2014, V ZR 183/13Die Beigeladenen und die Beklagten sind Mitglieder der klagenden Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Wohnanlage besteht aus drei Gebäuden, eines davon bewohnten die Beklagten. Neben ihm befand sich ursprünglich eine Freifläche. Zu einem zwischen den Parteien streitigen Zeitpunkt vor einer Begehung des Gebäudes durch die Verwalterin im Juli 2005 war dort eine Betonfläche als Grundlage einer Terrasse angelegt worden, zu deren Vollendung es aber nicht kam.
Auf ihrer Versammlung im Mai 2009 fassten die Wohnungseigentümer mehrheitlich den - bestandskräftigen - Beschluss, dass die Betonfläche zu beseitigen sei und der Erbauer sie auf eigene Kosten zurückzubauen und den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen habe. Die Verwalterin sollte den Rückbau schriftlich verlangen und bei fruchtlosem Verstreichen der Frist vor Gericht durchsetzen. Mit der am 31.12.2009 eingegangenen Klage verlangte die Wohnungseigentümergemeinschaft von den Beklagten den Rückbau der Fläche. Diese beriefen sich auf Verjährung.
AG und LG wiesen die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück.
Gründe:
Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche (der Wohnungseigentümer) auf Beseitigung einer Störung des Gemeinschaftseigentums aus § 1004 Abs. 1 BGB einerseits und aus § 15 Abs. 3 WEG andererseits waren nicht verjährt.
Die regelmäßige Verjährung war nach den bislang getroffenen Feststellungen nicht mit dem Ende des Jahres 2008 abgelaufen. Die Ansprüche waren mit der Anlegung der Betonfläche spätestens im Jahr 2005 entstanden. Dass die übrigen Wohnungseigentümer sämtlich vor dem 31.12.2005 von der Anlegung der Betonfläche und von der Person dessen, der dies veranlasst hatte, Kenntnis erlangt hätten, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Wohnungseigentümer sind grundsätzlich auch nicht gehalten, das Gemeinschaftseigentum auf Beeinträchtigungen durch andere Wohnungseigentümer oder Dritte zu untersuchen.
Die Beigeladenen mussten sich auch nicht das Wissen der Verwalterin, das diese vor der Beschlussfassung im Mai 2009 erlangt hatte, rückwirkend zurechnen lassen. Das Wissen des Verwalters kann den einzelnen Mitgliedern einer Wohnungseigentümergemeinschaft bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche als eigene Kenntnis i.S.v. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB entsprechend § 166 BGB nur zugerechnet werden, wenn es sich um gemeinschaftsbezogene Ansprüche i.S.v. § 10 Abs. 6 S. 3 Fall 1 WEG handelt oder wenn die Gemeinschaft Ansprüche der Wohnungseigentümer nach § 10 Abs. 6 S. 3 Fall 2 WEG an sich gezogen hat. Die Zurechnung der Kenntnis des Verwalters wirkt im Fall des § 10 Abs. 6 S. 3 Fall 2 WEG nicht auf den Zeitpunkt der Kenntniserlangung zurück.
Infolgedessen schied hier hier eine Zurechnung des Verwalterwissens vor Mai 2009 aus. Beseitigungsansprüche aus § 1004 Abs. 1 BGB und aus § 15 Abs. 3 WEG sind keine sog. geborenen gemeinschaftlichen Angelegenheiten i.S.v. § 10 Abs. 6 S. 3 Fall 1 WEG. Sie sind vielmehr sog. gekorene Gemeinschaftsangelegenheiten, Ansprüche also, deren Durchsetzung erst dadurch zur Gemeinschaftaufgabe wird, dass der Verband sie an sich zieht. Die Wohnungseigentümer haben damit zurechenbares Wissen erst mit dem Beschluss aus Mai 2009 erlangt. Die von diesem Zeitpunkt an laufende regelmäßige Verjährungsfrist war durch die vorliegende Klage rechtzeitig gehemmt worden.
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