WEG: Erweiterte Kompetenzverlagerung auf den Verwalter im gewissen Umfang möglich
BGH v. 11.6.2021 - V ZR 215/20
Der Sachverhalt:
Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. In der Eigentümerversammlung vom 21.2.2019 hatten die Wohnungseigentümer unter TOP 2 beschlossen, mit der Firma S-GmbH den in der Versammlung als Entwurf vorliegenden Verwaltervertrag zu schließen, und bevollmächtigten zwei Miteigentümer zur Unterzeichnung des Vertrages. Der Verwaltervertrag enthält u.a. die Regelungen:
"der Verwalter ist berechtigt, Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen am gemeinschaftlichen Eigentum mit einem Auftragswert bis zu 4.000 € brutto im Einzelfall, bei mehreren Aufträgen pro Wirtschaftsjahr begrenzt auf ein Gesamtvolumen i.H.v. 8.000 € brutto ohne Beschlussfassung der Eigentümergemeinschaft einzuleiten und die entsprechenden Aufträge zu vergeben.
zur Durchführung von größeren Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen, Maßnahmen der modernisierenden Instandsetzung bzw. Modernisierung oder baulichen Änderungen (d.h. ab einem Auftragswert i.H.v. 10.000 € brutto im Einzelfall), namens und für Rechnung der Eigentümergemeinschaft sachkundiger Dritter (Architekten, Ingenieure, Gutachter u.a.) zu bedienen."
Die gegen den Beschluss zu TOP 2 gerichtete Anfechtungsklage blieb vor allen Instanzen erfolglos.
Gründe:
Mit der Ermächtigung des Verwalters zur selbständigen Einleitung von Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen und zur Hinzuziehung von Sonderfachleuten hatten die Wohnungseigentümer das ihnen bei der Ausgestaltung des Verwaltervertrages zustehende Ermessen nicht überschritten. Sie hatten vielmehr die Kompetenz, durch Beschluss die in dem Vertragsentwurf genannten Entscheidungsbefugnisse auf den Verwalter zu übertragen.
Die Frage, ob dem Verwalter im Wege eines Beschlusses besondere Entscheidungsbefugnisse zugewiesen werden können, wird zwar unterschiedlich beantwortet. Nach verbreiteter Ansicht kann die Entscheidung über Art und Umfang von Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten grundsätzlich nicht im Beschlusswege auf den Verwalter übertragen werden. Nach anderer Ansicht haben die Wohnungseigentümer grundsätzlich die Kompetenz, Verwaltungsmacht auf den Verwalter zu übertragen. Die Möglichkeit, den Verwalter durch Beschluss zu ermächtigen, für die Gesamtheit der Eigentümer zu entscheiden, sei im Gesetz angelegt.
Richtigerweise können die Wohnungseigentümer durch Beschluss dem Verwalter über seine gesetzlichen Befugnisse hinausgehende Entscheidungskompetenzen für Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung sowie für die Einschaltung von Sonderfachleuten übertragen, wenn die Kompetenzverlagerung für den einzelnen Wohnungseigentümer zu einem nur begrenzten und überschaubaren finanziellen Risiko führt. Die Entscheidung darüber obliegt als Maßnahme ordnungsmäßiger Verwaltung gem. § 21 Abs. 1 und Abs. 5 Nr. 2 WEG aF vorrangig den Wohnungseigentümern. Der Verwalter ist allerdings nicht berechtigt, Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung, die weder dringlich sind noch zu den laufenden Maßnahmen zählen, ohne Beschlussfassung der Wohnungseigentümer zu ergreifen.
Die gesetzliche Zuständigkeitsverteilung dient der selbstbestimmten Verwaltung durch die Wohnungseigentümer. Sie gewährleistet, dass jeder Wohnungseigentümer die Möglichkeit hat, bei der Entscheidung über Instandhaltungs- oder Instandsetzungsmaßnahmen auf die Willensbildung der Wohnungseigentümer und die mit der Maßnahme verbundene Kostenbelastung Einfluss zu nehmen. Dem Selbstorganisationsrecht der Wohnungseigentümer ist die Befugnis immanent, den Entscheidungsprozess für Maßnahmen der Instandhaltung- oder Instandsetzung von untergeordneter Bedeutung zu vereinfachen und die Entscheidungskompetenz hierfür durch Beschluss auf den Verwalter zu verlagern.
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Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. In der Eigentümerversammlung vom 21.2.2019 hatten die Wohnungseigentümer unter TOP 2 beschlossen, mit der Firma S-GmbH den in der Versammlung als Entwurf vorliegenden Verwaltervertrag zu schließen, und bevollmächtigten zwei Miteigentümer zur Unterzeichnung des Vertrages. Der Verwaltervertrag enthält u.a. die Regelungen:
"der Verwalter ist berechtigt, Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen am gemeinschaftlichen Eigentum mit einem Auftragswert bis zu 4.000 € brutto im Einzelfall, bei mehreren Aufträgen pro Wirtschaftsjahr begrenzt auf ein Gesamtvolumen i.H.v. 8.000 € brutto ohne Beschlussfassung der Eigentümergemeinschaft einzuleiten und die entsprechenden Aufträge zu vergeben.
zur Durchführung von größeren Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen, Maßnahmen der modernisierenden Instandsetzung bzw. Modernisierung oder baulichen Änderungen (d.h. ab einem Auftragswert i.H.v. 10.000 € brutto im Einzelfall), namens und für Rechnung der Eigentümergemeinschaft sachkundiger Dritter (Architekten, Ingenieure, Gutachter u.a.) zu bedienen."
Die gegen den Beschluss zu TOP 2 gerichtete Anfechtungsklage blieb vor allen Instanzen erfolglos.
Gründe:
Mit der Ermächtigung des Verwalters zur selbständigen Einleitung von Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen und zur Hinzuziehung von Sonderfachleuten hatten die Wohnungseigentümer das ihnen bei der Ausgestaltung des Verwaltervertrages zustehende Ermessen nicht überschritten. Sie hatten vielmehr die Kompetenz, durch Beschluss die in dem Vertragsentwurf genannten Entscheidungsbefugnisse auf den Verwalter zu übertragen.
Die Frage, ob dem Verwalter im Wege eines Beschlusses besondere Entscheidungsbefugnisse zugewiesen werden können, wird zwar unterschiedlich beantwortet. Nach verbreiteter Ansicht kann die Entscheidung über Art und Umfang von Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten grundsätzlich nicht im Beschlusswege auf den Verwalter übertragen werden. Nach anderer Ansicht haben die Wohnungseigentümer grundsätzlich die Kompetenz, Verwaltungsmacht auf den Verwalter zu übertragen. Die Möglichkeit, den Verwalter durch Beschluss zu ermächtigen, für die Gesamtheit der Eigentümer zu entscheiden, sei im Gesetz angelegt.
Richtigerweise können die Wohnungseigentümer durch Beschluss dem Verwalter über seine gesetzlichen Befugnisse hinausgehende Entscheidungskompetenzen für Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung sowie für die Einschaltung von Sonderfachleuten übertragen, wenn die Kompetenzverlagerung für den einzelnen Wohnungseigentümer zu einem nur begrenzten und überschaubaren finanziellen Risiko führt. Die Entscheidung darüber obliegt als Maßnahme ordnungsmäßiger Verwaltung gem. § 21 Abs. 1 und Abs. 5 Nr. 2 WEG aF vorrangig den Wohnungseigentümern. Der Verwalter ist allerdings nicht berechtigt, Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung, die weder dringlich sind noch zu den laufenden Maßnahmen zählen, ohne Beschlussfassung der Wohnungseigentümer zu ergreifen.
Die gesetzliche Zuständigkeitsverteilung dient der selbstbestimmten Verwaltung durch die Wohnungseigentümer. Sie gewährleistet, dass jeder Wohnungseigentümer die Möglichkeit hat, bei der Entscheidung über Instandhaltungs- oder Instandsetzungsmaßnahmen auf die Willensbildung der Wohnungseigentümer und die mit der Maßnahme verbundene Kostenbelastung Einfluss zu nehmen. Dem Selbstorganisationsrecht der Wohnungseigentümer ist die Befugnis immanent, den Entscheidungsprozess für Maßnahmen der Instandhaltung- oder Instandsetzung von untergeordneter Bedeutung zu vereinfachen und die Entscheidungskompetenz hierfür durch Beschluss auf den Verwalter zu verlagern.