21.08.2024

WEG: Kompetenzverlagerung auf den Verwalter setzt keine verbindlichen Entscheidungsmaßstäbe voraus

Nach dem seit Dezember 2020 geltenden Wohnungseigentumsrecht haben Wohnungseigentümer die Kompetenz, Entscheidungen über die Verwaltung und Benutzung des gemeinschaftlichen Eigentums auf den Verwalter zu delegieren. Die Ordnungsmäßigkeit des Beschlusses über eine Kompetenzverlagerung setzt nicht voraus, dass in dem Beschluss zugleich ausdrücklich ein für den Verwalter verbindlicher Entscheidungsmaßstab vorgegeben wird.

BGH v. 5.7.2024 - V ZR 241/23
Der Sachverhalt:
Die Kläger sind Mitglieder der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). Im Jahr 2019 hatten die Wohnungseigentümer im Zuge einer geplanten Erneuerung der Außenfenster beschlossen, einen Sachverständigen mit der Begutachtung der Fenster und der Erstellung eines Prioritätenplans nach Dringlichkeit zu beauftragen. Nachdem der Sachverständige alles erledigt hatte, beschlossen die Wohnungseigentümer im November 2021, den Sachverständigen auch mit der Erstellung der Ausschreibungsunterlagen, der Einholung von Angeboten und der Fertigung eines Preisspiegels zu beauftragen.

In der Eigentümerversammlung vom 9.6.2022 informierte die Verwalterin darüber, dass mehrere Anbieter Angebote zurückgezogen hätten und die verbliebene Anbieterin, mitgeteilt habe, dass sie im Jahr 2022 weder einen Austausch vornehmen noch eine Bestellung entgegennehmen könne, so dass die Preise für den Austausch nicht kalkulierbar seien. Infolgedessen wurde folgender Beschluss gefasst:

"Die Verwaltung wird ermächtigt, die Erneuerung der Fensteranlagen nach folgenden Maßgaben zu beauftragen:
Es soll ein Austausch nach Dringlichkeit erfolgen. Vorab sollen noch[1]mal drei Angebote eingeholt werden.
Der Umfang des jährlichen Budgets für 2022 soll bei 35.000 € brutto liegen. Die Fenster sollen der Optik der bisherigen Fensteranlagen entsprechen. ..."

Die Kläger haben den Beschluss im Nachhinein angefochten. Das AG hat die Klage abgewiesen. Das LG hat den Beschluss im Berufungsverfahren für ungültig erklärt. Auf die Revision der Beklagten hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Berufung der Kläger zurückgewiesen.

Gründe:
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat sich der Beschluss als rechtmäßig erwiesen.

Nach dem seit Dezember 2020 geltenden Wohnungseigentumsrecht haben Wohnungseigentümer die Kompetenz, Entscheidungen über die Verwaltung und Benutzung des gemeinschaftlichen Eigentums auf den Verwalter zu delegieren. Von der Beschlusskompetenz zu trennen ist die Frage, ob der auf der Grundlage von § 27 Abs. 2 WEG gefasste Beschluss der Wohnungseigentümer ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Dies hat das Berufungsgericht zu Unrecht verneint.

Obgleich § 27 Abs. 2 WEG selbst keine inhaltlichen Anforderungen an den Beschluss stellt, entspricht es allgemeiner Auffassung, dass sich seine Ordnungsmäßigkeit an § 18 Abs. 2 WEG messen lassen muss. Ein auf der Grundlage von § 27 Abs. 2 WEG gefasster Beschluss der Wohnungseigentümer, mit dem die Entscheidung über Erhaltungsmaßnahmen auf den Verwalter delegiert wird, muss daher, wie dies grundsätzlich in § 19 Abs. 1 WEG zum Ausdruck gebracht wird und für alle Beschlüsse der GdWE gilt, den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen. Und diesen Anforderungen wird der angefochtene Beschluss gerecht.

Die Übertragung der Entscheidungskompetenzen auf den Verwalter durch den angefochtenen Beschluss hält sich im Rahmen des den Wohnungseigentümern durch das Gesetz eingeräumten Ermessens. Das Gesetz lässt erkennen, dass es nicht ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht, wenn die Wohnungseigentümer dem Verwalter über die ihm nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG bereits durch das Gesetz eingeräumten Aufgaben und Befugnisse hinaus weiterreichend auch die Kompetenz übertragen, Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung zu treffen, die übergeordnete Bedeutung haben oder zu erheblichen Verpflichtungen der GdWE führen. Im Hinblick auf eine Erhaltungsmaßnahme wird eine Delegation regelmäßig jedenfalls dann ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen, wenn die Wohnungseigentümer selbst die grundlegende Entscheidung über deren Vornahme getroffen haben und der Verwalter nur über die Ausführung im Einzelnen entscheiden soll.

Die Ordnungsmäßigkeit des Beschlusses über eine Kompetenzverlagerung auf den Verwalter setzt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht voraus, dass in dem Beschluss zugleich ausdrücklich ein für den Verwalter verbindlicher Entscheidungsmaßstab vorgegeben wird. Nach dem WEMoG trifft die Pflicht zur Umsetzung von Beschlüssen der Wohnungseigentümer zwar nicht mehr den Verwalter, sondern die GdWE (§ 18 Abs. 1 WEG). Diese erfüllt die ihr zugewiesenen Aufgaben jedoch durch ihre Organe; internes Organ für die Ausführung ist der Verwalter, der die Entscheidungen umsetzt. Verbleiben dem Verwalter infolge einer Kompetenzverlagerung Entscheidungsbefugnisse bei der Umsetzung eines Beschlusses, übt er die Befugnisse aus, die ohne Delegation der Eigentümerversammlung zugestanden hätten.

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