Wie ist die Beschaffenheit einer Wohnung zu beurteilen?
AG Hamburg v. 24.2.2022 - 48 C 240/20
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist seit 1990 die Vermieterin des Beklagten. Die Wohnung ist 73,3 m² groß. Zentralheizung und Warmwasserversorgung durch Durchlauferhitzer wurden zum Zeitpunkt des Zugangs des Mieterhöhungsverlangens vermieterseitig bereitgestellt. Zum Zeitpunkt des Einzugs waren in der Küche Spüle und Herd, im Bad ein Waschbecken und Badewanne, ein WC sowie Dielenfußböden vorhanden. Die Fenster sind doppelverglast. Es gibt einen Kaltwasserzähler sowie Kabelanschluss und Balkon. Ein Abstellraum für Fahrräder ist im Keller vorhanden, ebenso wie ein von außen zugänglicher separater Müllkeller. Das Gebäude ist bis 1918 errichtet und befindet sich in normaler Wohnlage.
Im Januar 2020 hat die Klägerin vom Beklagten Zustimmung zu einer Erhöhung der Nettokaltmiete auf 10,33 € pro m² mit Wirkung ab dem 1.4.2020 verlangt. Zur Begründung bezog sich die Klägerin auf den Hamburger Mietenspiegel 2019. Der Beklagte erteilte die Zustimmung nicht. Die vertraglich vereinbarte Nettokaltmiete war zuletzt mit Wirkung zum 1.5.2018 auf € 681,69 angehoben worden. Die Klägerin berief sich im Wesentlichen auf die vorteilhafte Wohnlage. Sie behauptete, dem Beklagten habe zum Zeitpunkt des Zugangs des Mieterhöhungsverlangens zudem ein Dachbodenraum zur Verfügung gestanden.
Das AG hat die Klage abgewiesen.
Die Gründe:
Es besteht kein Zustimmungsanspruch. Die ortsübliche Vergleichsmiete, bis zu deren Höhe der Zustimmungsanspruch der Klägerin gem. § 558 Abs. 1 BGB reicht, beträgt höchstens nettokalt 9,27 €. Allerdings beträgt der gegenwärtig vom Beklagten geschuldete Mietzins bereits nettokalt 9,30 €.
Als Teilaspekt der Beschaffenheit einer Wohnung ist deren allgemeiner baulich-dekorativer Zustand bei der Bestimmung des Wohnwertes zu berücksichtigen. Dabei haben solche baulich-dekorativen Verbesserungen, die der Mieter auf eigene Kosten vorgenommen hat, außer Betracht zu bleiben, weil diese billigerweise nicht zur Rechtfertigung eines höheren Mietwertes herangezogen werden können. Es handelt sich insoweit trotz bestehender Überschneidungen mit der Frage des Vorhandenseins grundlegender Ausstattungsmerkmale nach dem Mietenspiegel (Spüle, WC, Herd etc.) um einen eigenständig zu berücksichtigenden Aspekt, welcher die Beschaffenheit der Wohnung im Allgemeinen, insbesondere bei deren Übergabe, betrifft.
Die Wohnung im vorliegenden Fall verfügt über gewichtige Beschaffenheitsnachteile. Sie war dem Beklagten in einem stark renovierungsbedürftigen Zustand übergeben worden, was einen hoch zu gewichtenden nachteiligen Beschaffenheitsaspekt darstellt. Es steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass sich die Wohnung bei Übergabe an den Beklagten in einem baulich-dekorativen Zustand befand, welcher die Bewohnbarkeit nahezu vollständig ausschloss. So waren das Badezimmer und die Küche funktionell unbenutzbar, die darin befindlichen Bodenbeläge nicht mehr gebrauchstauglich und die mit Müll gefüllten Deckenkonstruktionen in einigen Bereichen der Wohnung abzubauen und zu entsorgen. Die Wände mussten teilweise ausgebessert werden.
Wohnwerterhöhend ist insoweit zu berücksichtigen, dass die Wohnung über einen separaten WC-Raum verfügt. Die Trennung von Badezimmer und WC-Raum stellt einen alltäglich relevanten funktionellen Vorteil dar. Des Weiteren wird der Wohnwert erhöht durch die in der Küche befindliche, über eine kleine Tür neben dem Fenster erreichbare Abstellkammer. Diesem Raum kommt wegen seiner Lage innerhalb der Wohnung ein erhöhter Funktionswert zu. Der baulich-dekorative Zustand der Fassade, insbesondere in Hinblick auf vorhandene Graffitis, ist als neutral zu bewerten. Die Beschaffenheit der Wohnung ist nach Abwägung aller insoweit zu berücksichtigender vorteilhafter und nachteiliger Teilaspekte als im Ergebnis nachteilig einzustufen.
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Landesrecht Hamburg
Die Klägerin ist seit 1990 die Vermieterin des Beklagten. Die Wohnung ist 73,3 m² groß. Zentralheizung und Warmwasserversorgung durch Durchlauferhitzer wurden zum Zeitpunkt des Zugangs des Mieterhöhungsverlangens vermieterseitig bereitgestellt. Zum Zeitpunkt des Einzugs waren in der Küche Spüle und Herd, im Bad ein Waschbecken und Badewanne, ein WC sowie Dielenfußböden vorhanden. Die Fenster sind doppelverglast. Es gibt einen Kaltwasserzähler sowie Kabelanschluss und Balkon. Ein Abstellraum für Fahrräder ist im Keller vorhanden, ebenso wie ein von außen zugänglicher separater Müllkeller. Das Gebäude ist bis 1918 errichtet und befindet sich in normaler Wohnlage.
Im Januar 2020 hat die Klägerin vom Beklagten Zustimmung zu einer Erhöhung der Nettokaltmiete auf 10,33 € pro m² mit Wirkung ab dem 1.4.2020 verlangt. Zur Begründung bezog sich die Klägerin auf den Hamburger Mietenspiegel 2019. Der Beklagte erteilte die Zustimmung nicht. Die vertraglich vereinbarte Nettokaltmiete war zuletzt mit Wirkung zum 1.5.2018 auf € 681,69 angehoben worden. Die Klägerin berief sich im Wesentlichen auf die vorteilhafte Wohnlage. Sie behauptete, dem Beklagten habe zum Zeitpunkt des Zugangs des Mieterhöhungsverlangens zudem ein Dachbodenraum zur Verfügung gestanden.
Das AG hat die Klage abgewiesen.
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Es besteht kein Zustimmungsanspruch. Die ortsübliche Vergleichsmiete, bis zu deren Höhe der Zustimmungsanspruch der Klägerin gem. § 558 Abs. 1 BGB reicht, beträgt höchstens nettokalt 9,27 €. Allerdings beträgt der gegenwärtig vom Beklagten geschuldete Mietzins bereits nettokalt 9,30 €.
Als Teilaspekt der Beschaffenheit einer Wohnung ist deren allgemeiner baulich-dekorativer Zustand bei der Bestimmung des Wohnwertes zu berücksichtigen. Dabei haben solche baulich-dekorativen Verbesserungen, die der Mieter auf eigene Kosten vorgenommen hat, außer Betracht zu bleiben, weil diese billigerweise nicht zur Rechtfertigung eines höheren Mietwertes herangezogen werden können. Es handelt sich insoweit trotz bestehender Überschneidungen mit der Frage des Vorhandenseins grundlegender Ausstattungsmerkmale nach dem Mietenspiegel (Spüle, WC, Herd etc.) um einen eigenständig zu berücksichtigenden Aspekt, welcher die Beschaffenheit der Wohnung im Allgemeinen, insbesondere bei deren Übergabe, betrifft.
Die Wohnung im vorliegenden Fall verfügt über gewichtige Beschaffenheitsnachteile. Sie war dem Beklagten in einem stark renovierungsbedürftigen Zustand übergeben worden, was einen hoch zu gewichtenden nachteiligen Beschaffenheitsaspekt darstellt. Es steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass sich die Wohnung bei Übergabe an den Beklagten in einem baulich-dekorativen Zustand befand, welcher die Bewohnbarkeit nahezu vollständig ausschloss. So waren das Badezimmer und die Küche funktionell unbenutzbar, die darin befindlichen Bodenbeläge nicht mehr gebrauchstauglich und die mit Müll gefüllten Deckenkonstruktionen in einigen Bereichen der Wohnung abzubauen und zu entsorgen. Die Wände mussten teilweise ausgebessert werden.
Wohnwerterhöhend ist insoweit zu berücksichtigen, dass die Wohnung über einen separaten WC-Raum verfügt. Die Trennung von Badezimmer und WC-Raum stellt einen alltäglich relevanten funktionellen Vorteil dar. Des Weiteren wird der Wohnwert erhöht durch die in der Küche befindliche, über eine kleine Tür neben dem Fenster erreichbare Abstellkammer. Diesem Raum kommt wegen seiner Lage innerhalb der Wohnung ein erhöhter Funktionswert zu. Der baulich-dekorative Zustand der Fassade, insbesondere in Hinblick auf vorhandene Graffitis, ist als neutral zu bewerten. Die Beschaffenheit der Wohnung ist nach Abwägung aller insoweit zu berücksichtigender vorteilhafter und nachteiliger Teilaspekte als im Ergebnis nachteilig einzustufen.
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