Wie lange darf der verlassene Ehegatte ungestört in der Ehewohnung weiterwohnen?
AG Münster v. 7.10.2021 - 43 F 34/21
Der Sachverhalt:
Die Beteiligten waren bis März 2019 verheiratet. Aus ihrer Ehe sind zwei 1996 und 1999 geborene Söhne hervorgegangen. Während der Ehezeit bewohnte die Familie eine Vier-Zimmer-Wohnung, die den Eltern des Antragsgegners gehört. Alleiniger Mieter dieser Wohnung war aufgrund Mietvertrags seit 1994 der Antragsgegner.
Im Januar 2016 hatten sich die Beteiligten getrennt. Der Antragsgegner zog noch im Januar 2016 aus der gemeinsamen Wohnung aus, die die Antragstellerin weiterhin mit beiden Söhnen bewohnte. Mit Schreiben vom 11.2.2016 kündigte der Antragsgegner die Wohnung zum 31.5.2016. Im Anschluss daran schloss er mit seinen Eltern als Vermieter noch einen Zeitmietvertrag befristet bis zum 31.7.2017.
Mit Schreiben vom 17.11.2017 sprach der Antragsgegner dann die ordentliche Kündigung des Mietvertrages zum 25.2.2018 gegenüber seinen Eltern als Vermietern aus. Die Vermieter bestätigten die Kündigung mit Schreiben vom 24.11.2017 und widersprachen einer Fortsetzung des Mietverhältnisses. Am 7.3.2018 wurde die Antragstellerin von den Vermietern zur Räumung und Herausgabe der Wohnung bis zum 22.3.2018 aufgefordert. Die Antragstellerin zog jedoch nicht aus. Der anschließend von den Vermietern erhobenen Räumungsklage wurde stattgegeben. Die Berufung der Antragstellerin blieb vor dem LG erfolglos.
Die Antragstellerin ist der Ansicht, dass der Antragsgegner mit den Kündigungen des Mietverhältnisses der Wohnung gegen das Wohlverhaltensgebot des § 1361b Abs. 3 S. 1 BGB verstoßen habe. Aufgrund dieser Pflichtverletzung sei er ihr gegenüber gem. § 823 Abs. 2 BGB zum Schadensersatz verpflichtet. Ihr sei durch den Umzug ein Schaden i.H.v. 14.895 € entstanden.
Das AG hat den Antrag zurückgewiesen.
Die Gründe:
Ein Schadensersatzanspruch der Antragstellerin gegen den Antragsgegner gemäß § 1361b Abs. 3 BGB i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB besteht nicht. Der Antragstellerin ist kein ersatzfähiger Schaden i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB entstanden.
Zwar hatte der Antragsgegner mit der Kündigung des Mietvertrages im Februar 2016 gegen das Wohlverhaltensgebot im Hinblick auf das sich aus § 1361 b Abs. 3 BGB ergebende Nutzungsrecht der Antragstellerin an der Ehewohnung verstoßen. Die Ehewohnung verliert ihren Charakter als Ehewohnung nicht durch den Auszug eines Ehegatten. Sie bleibt Ehewohnung während der gesamten Trennungszeit. Mit Rechtskraft des Beschlusses in der Scheidungssache verliert die Wohnung erst ihre Eigenschaft als Ehewohnung.
Allerdings hat der Verstoß des Antragsgegners gegen das Wohlverhaltensgebot des § 1361b Abs. 3 BGB durch seine verfrühte Kündigung nicht zu einem Schaden der Antragstellerin i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB geführt. Zur Begründung eines Schadensersatzanspruches nach § 823 Abs. 2 BGB muss sich gerade das Risiko verwirklicht haben, vor dem das Gesetz schützen will. Der Schutzbereich des § 1361b Abs. 3 BGB, das ungestörte Wohnen des verlassenen Ehegatten, ist hier auf den Zeitraum bis zur rechtskräftigen Scheidung begrenzt. Diese Regelung schützt den in der Ehewohnung zurückbleibenden Ehegatten also nicht davor, spätestens nach der Scheidung aus der früheren Ehewohnung ausziehen und sich dann eine neue Wohnung anmieten zu müssen.
Der Scheidungsantrag, der vom Antragsgegner im Februar 2017 erhoben worden war, wurde den damaligen Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin im März 2017 zugestellt. Bereits zuvor war zwischen den Beteiligten über die weitere Nutzung der Wohnung durch die Antragstellerin korrespondiert worden. Die Antragstellerin musste sich allein deshalb darüber im Klaren sein, dass sie nicht dauerhaft in der bisherigen Wohnung verbleiben konnte. Aufgrund des im Jahre 2018 geführten Räumungsprozesses konnte sie nicht von einer Fortsetzung des Mietverhältnisses zwischen ihr und den Eltern des Antragsgegners ausgehen. Spätestens nach Rechtskraft der Scheidung hätte der Antragsgegner die Wohnung kündigen können und die Antragstellerin sich eine neue Wohnung anmieten müssen.
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Justiz NRW
Die Beteiligten waren bis März 2019 verheiratet. Aus ihrer Ehe sind zwei 1996 und 1999 geborene Söhne hervorgegangen. Während der Ehezeit bewohnte die Familie eine Vier-Zimmer-Wohnung, die den Eltern des Antragsgegners gehört. Alleiniger Mieter dieser Wohnung war aufgrund Mietvertrags seit 1994 der Antragsgegner.
Im Januar 2016 hatten sich die Beteiligten getrennt. Der Antragsgegner zog noch im Januar 2016 aus der gemeinsamen Wohnung aus, die die Antragstellerin weiterhin mit beiden Söhnen bewohnte. Mit Schreiben vom 11.2.2016 kündigte der Antragsgegner die Wohnung zum 31.5.2016. Im Anschluss daran schloss er mit seinen Eltern als Vermieter noch einen Zeitmietvertrag befristet bis zum 31.7.2017.
Mit Schreiben vom 17.11.2017 sprach der Antragsgegner dann die ordentliche Kündigung des Mietvertrages zum 25.2.2018 gegenüber seinen Eltern als Vermietern aus. Die Vermieter bestätigten die Kündigung mit Schreiben vom 24.11.2017 und widersprachen einer Fortsetzung des Mietverhältnisses. Am 7.3.2018 wurde die Antragstellerin von den Vermietern zur Räumung und Herausgabe der Wohnung bis zum 22.3.2018 aufgefordert. Die Antragstellerin zog jedoch nicht aus. Der anschließend von den Vermietern erhobenen Räumungsklage wurde stattgegeben. Die Berufung der Antragstellerin blieb vor dem LG erfolglos.
Die Antragstellerin ist der Ansicht, dass der Antragsgegner mit den Kündigungen des Mietverhältnisses der Wohnung gegen das Wohlverhaltensgebot des § 1361b Abs. 3 S. 1 BGB verstoßen habe. Aufgrund dieser Pflichtverletzung sei er ihr gegenüber gem. § 823 Abs. 2 BGB zum Schadensersatz verpflichtet. Ihr sei durch den Umzug ein Schaden i.H.v. 14.895 € entstanden.
Das AG hat den Antrag zurückgewiesen.
Die Gründe:
Ein Schadensersatzanspruch der Antragstellerin gegen den Antragsgegner gemäß § 1361b Abs. 3 BGB i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB besteht nicht. Der Antragstellerin ist kein ersatzfähiger Schaden i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB entstanden.
Zwar hatte der Antragsgegner mit der Kündigung des Mietvertrages im Februar 2016 gegen das Wohlverhaltensgebot im Hinblick auf das sich aus § 1361 b Abs. 3 BGB ergebende Nutzungsrecht der Antragstellerin an der Ehewohnung verstoßen. Die Ehewohnung verliert ihren Charakter als Ehewohnung nicht durch den Auszug eines Ehegatten. Sie bleibt Ehewohnung während der gesamten Trennungszeit. Mit Rechtskraft des Beschlusses in der Scheidungssache verliert die Wohnung erst ihre Eigenschaft als Ehewohnung.
Allerdings hat der Verstoß des Antragsgegners gegen das Wohlverhaltensgebot des § 1361b Abs. 3 BGB durch seine verfrühte Kündigung nicht zu einem Schaden der Antragstellerin i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB geführt. Zur Begründung eines Schadensersatzanspruches nach § 823 Abs. 2 BGB muss sich gerade das Risiko verwirklicht haben, vor dem das Gesetz schützen will. Der Schutzbereich des § 1361b Abs. 3 BGB, das ungestörte Wohnen des verlassenen Ehegatten, ist hier auf den Zeitraum bis zur rechtskräftigen Scheidung begrenzt. Diese Regelung schützt den in der Ehewohnung zurückbleibenden Ehegatten also nicht davor, spätestens nach der Scheidung aus der früheren Ehewohnung ausziehen und sich dann eine neue Wohnung anmieten zu müssen.
Der Scheidungsantrag, der vom Antragsgegner im Februar 2017 erhoben worden war, wurde den damaligen Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin im März 2017 zugestellt. Bereits zuvor war zwischen den Beteiligten über die weitere Nutzung der Wohnung durch die Antragstellerin korrespondiert worden. Die Antragstellerin musste sich allein deshalb darüber im Klaren sein, dass sie nicht dauerhaft in der bisherigen Wohnung verbleiben konnte. Aufgrund des im Jahre 2018 geführten Räumungsprozesses konnte sie nicht von einer Fortsetzung des Mietverhältnisses zwischen ihr und den Eltern des Antragsgegners ausgehen. Spätestens nach Rechtskraft der Scheidung hätte der Antragsgegner die Wohnung kündigen können und die Antragstellerin sich eine neue Wohnung anmieten müssen.
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