05.05.2021

Zu alt? Keine Entschädigung nach dem AGG wegen Versagung des Zutritts zu einer Musikveranstaltung mit DJs

Bei Schuldverhältnissen wie öffentlichen Party-Event-Veranstaltungen kann die Zusammensetzung des Besucherkreises deren Charakter prägen und daher ein anerkennenswertes Interesse des Unternehmers bestehen, hierauf Einfluss zu nehmen. Soweit der Veranstalter deshalb sein Angebot nur an eine bestimmte, nach persönlichen Merkmalen definierte Zielgruppe richtet und nur Personen als Vertragspartner akzeptiert, die die persönlichen Merkmale der Zielgruppe erfüllen, kommt diesen Eigenschaften nicht nur nachrangige Bedeutung zu. Diese Willensentscheidung ist auch dann hinzunehmen, wenn dabei das Merkmal "Alter" betroffen ist.

BGH v. 5.5.2021 - VII ZR 78/20
Der Sachverhalt:
Der damals 44-jährige Kläger wollte im August 2017 ein von der Beklagten veranstaltetes Open-Air-Event in München besuchen, bei dem über 30 DJs elektronische Musik auflegten. Die Veranstaltung hatte eine Kapazität von maximal 1.500 Personen, ein Vorverkauf fand nicht statt. Ein Ticket konnte erst nach Passieren der Einlasskontrolle erworben werden. Dem Kläger sowie seinen beiden damals 36 und 46 Jahre alten Begleitern wurde der Einlass verwehrt.

Die Beklagte teilte dem Kläger mit, Zielgruppe der Veranstaltung seien Personen zwischen 18 und 28 Jahren gewesen. Aufgrund der beschränkten Kapazität und um den wirtschaftlichen Erfolg einer homogen in sich feiernden Gruppe nicht negativ zu beeinflussen, habe es die Anweisung gegeben, dem optischen Eindruck nach altersmäßig nicht zur Zielgruppe passende Personen abzuweisen.

Der Kläger ist der Auffassung, dass in der Verweigerung des Zutritts eine Benachteiligung wegen des Alters liege und ihm daher ein Entschädigungsanspruch gem. § 19 Abs. 1, § 21 Abs. 2 AGG zustehe. Er hat von der Beklagten die Zahlung von 1.000 € sowie den Ersatz der Kosten eines vorangegangenen Schlichtungsverfahrens i.H.v. rd. 140 €, jeweils nebst Zinsen, verlangt.

AG und LG wiesen die Klage ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das LG hat einen Schadensersatzanspruch des Klägers zu Recht verneint. Der sachliche Anwendungsbereich des zivilrechtlichen Benachteiligungsverbots nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG ist nicht eröffnet.

Der Vertrag über den Zutritt zu der streitgegenständlichen Veranstaltung ist kein "Massengeschäft" i.S.v. § 19 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 AGG. Hierunter sind zivilrechtliche Schuldverhältnisse zu verstehen, die typischerweise ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen. Das ist der Fall, wenn der Anbieter im Rahmen seiner Kapazitäten grundsätzlich mit jedermann abzuschließen bereit ist. Hingegen liegt ein Ansehen der Person vor, wenn der Anbieter seine Entscheidung über den Vertragsschluss erst nach Würdigung des Vertragspartners trifft. Ob persönliche Merkmale typischerweise eine Rolle spielen, bestimmt sich nach einer allgemeinen, typisierenden Betrachtungsweise, bei der auf die für vergleichbare Schuldverhältnisse herausgebildete Verkehrssitte abzustellen ist.

Eine Verkehrssitte, dass zu öffentlichen Veranstaltungen, die mit dem hier betroffenen Schuldverhältnis vergleichbar sind, jedermann Eintritt erhält, hat das LG rechtsfehlerfrei nicht festgestellt. Soweit öffentlich zugängliche Konzerte, Kinovorstellungen, Theater- oder Sportveranstaltungen im Regelfall dem sachlichen Anwendungsbereich des zivilrechtlichen Benachteiligungsverbots nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG unterfallen, weil es der Verkehrssitte entspricht, dass dort der Eintritt ohne Ansehen der Person gewährt wird, ist für diese Freizeitangebote charakteristisch, dass es den Veranstaltern - meist dokumentiert durch einen Vorverkauf - nicht wichtig ist, wer ihre Leistung entgegennimmt. Das unterscheidet sie maßgeblich von Party-Event-Veranstaltungen wie der vorliegenden, deren Charakter in der Regel auch durch die Interaktion der Besucher geprägt wird, weshalb der Zusammensetzung des Besucherkreises Bedeutung zukommen kann. Dass auch bei solchen Veranstaltungen gleichwohl nach der Verkehrssitte jedermann Eintritt gewährt wird, macht der Kläger nicht geltend.

Der Vertrag über den Zutritt zu der von der Beklagten durchgeführten Veranstaltung war auch kein "massengeschäftsähnliches" Schuldverhältnis i.S.v. § 19 Abs. 1 Nr. 1 Fall 2 AGG. Diese Rechtsverhältnisse kennzeichnet, dass persönliche Eigenschaften des Vertragspartners zwar bei der Entscheidung, mit wem der Vertrag geschlossen werden soll, relevant sind, sie aber angesichts der Vielzahl der abzuschließenden Rechtsgeschäfte an Bedeutung verlieren, weil der Anbieter, von atypischen Fällen abgesehen, bereit ist, mit jedem geeigneten Partner zu vergleichbaren Konditionen abzuschließen. In welchem Umfang ein Ansehen einer Person relevant ist, bestimmt sich nach der Art des zu betrachtenden Schuldverhältnisses in seiner konkreten Ausprägung.

Bei Schuldverhältnissen wie öffentlichen Party-Event-Veranstaltungen kann die Zusammensetzung des Besucherkreises deren Charakter prägen und daher ein anerkennenswertes Interesse des Unternehmers bestehen, hierauf Einfluss zu nehmen. Soweit der Veranstalter deshalb sein Angebot nur an eine bestimmte, nach persönlichen Merkmalen definierte Zielgruppe richtet und nur Personen als Vertragspartner akzeptiert, die die persönlichen Merkmale der Zielgruppe erfüllen, kommt diesen Eigenschaften nicht nur nachrangige Bedeutung zu. Diese Willensentscheidung ist hinzunehmen; wenn dabei auch das Merkmal "Alter" betroffen ist, steht dies nicht entgegen. Eine solche Fallgestaltung lag bei der hier zu beurteilenden Veranstaltung vor. Ein Ansehen der Person hatte hiernach für die Gewährung des Zutritts nicht nur nachrangige Bedeutung, vielmehr war eine individuelle Auswahl der Vertragspartner nach dem Veranstaltungskonzept der Beklagten von vornherein vorgesehen, wurde durchgeführt und durch die Einlasskontrolle sichergestellt.
BGH PM Nr. 91 vom 5.5.2021
Zurück