Zugelassene Pflegeeinrichtung ohne Pflegesatzvereinbarung kann Sicherheitsleistung von Heimbewohnern verlangen
BGH 5.4.2018, III ZR 36/17Der Kläger ist ein Verbraucherschutzverein. Die Beklagte betreibt mehrere Einrichtungen der stationären Pflege. Für die vollstationäre Aufnahme pflegebedürftiger Personen in eines ihrer Häuser verwendet sie einen vorformulierten Pflegevertrag, der unter Nr. 4 und 4.1 eine Regelung enthält, die den Heimbewohner verpflichtet, eine Kaution in Höhe des zweifachen Monatspflegesatzes als Sicherheitsleistung an die Beklagte zu leisten.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Vertragsklauseln 4 und 4.1 verstießen gegen § 307 Abs. 1, 2 BGB i.V.m. §§ 14, 16 des Wohn- und Betreuungsvertragsgesetzes (WBVG). Die Regelungen verstoßen gegen das in § 14 Abs. 4 WBVG geregelte Kautionsverbot gegenüber Personen, die Leistungen nach § 42 oder § 42 SGB XI bezögen. Der Kläger nahm die Beklagte daher auf Unterlassung gem. § 1 UKlaG in Anspruch.
Die Unterlassungsklage hatte vor dem LG Erfolg. Die dagegen gerichtete Berufung blieb ebenso erfolglos wie die Revision vor dem BGH.
Die Gründe:
Der Kläger hat in Bezug auf die Vertragsklauseln 4 und 4.1 keinen Anspruch auf Unterlassung nach § 1 UKlaG i.V.m. § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB, § 14 Abs. 1 S. 1 und Abs. 4 S.1, § 16 WBVG. Die Vertragsklauseln sind mit § 14 Abs. 4 S. 1 WBVG vereinbar und benachteiligen den Pflegebedürftigen nicht unangemessen. Dies gilt auch gegenüber Verbrauchern, die berechtigt sind, Hilfe in Einrichtungen nach dem SGB XII in Anspruch zu nehmen.
In Fällen, in denen Nach § 72 Abs. 1 SGB XI zugelassene Pflegeeinrichtungen i.S.d. § 91 Abs. 1 SGB XI, die auf eine Pflegesatzvereinbarung nach § 85 SGB XI verzichtet und sich für freie Entgeltvereinbarungen sowie das Kostenerstattungsverfahren nach § 91 Abs. 2 SGB XI entschieden haben, greift das Verbot des § 14 Abs. 4 S. 1 WBVG nicht. Dafür sprechen der Wortlaut unter Berücksichtigung des Gesetzessystematik, die Entstehungsgeschichte sowie der Sinn und Zweck des § 14 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 S. 1 WBVG.
Steht der Pflegeeinrichtung - wie hier - kein direkter Zahlungsanspruch gegenüber Sozialleistungsträgern zu, ist § 14 Abs. 4 S. 1 WBVG bereits nach seinem Wortlaut nicht anwendbar. Die Regelung stellt nur auf solche Fälle ab, in denen eine Sachleistungsverschaffung erfolgt. Demgegenüber liegt den Klauseln 4 und 4.1. das Kostenerstattungsprinzip zugrunde. Die Pflegebedürftigen verlieren bei dem vorliegenden Modell ihren Sachleistungsanspruch gegen ihre Pflegekasse und werden auf einen Kostenerstattungsanspruch verwiesen. Der Träger des Pflegeheims rechnet direkt mit dem Pflegebedürftigen ab. Dieser ist alleiniger Schuldner. Es besteht daher ein Sicherungsbedürfnis des Heimträgers, gegen eine Zahlungsunfähigkeit des Heimbewohners unmittelbar abgesichert zu werden. Diesem Bedürfnis trägt der Wortlaut des § 14 Abs. 4 S. 1 WBVG Rechnung, indem er bei dem Kostenerstattungsverfahren die Vereinbarung einer Sicherheitsleistung nicht verbietet.
Ebenso spricht die Entstehungsgeschichte des § 14 WBVG für diese Auslegung. Nach der Vorgängerregelung des § 14 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 8 des Heimgesetzes (HeimG) war das Verlangen einer Sicherheitsleistung zwar grundsätzlich zulässig, aber nicht gegenüber Versicherten der Pflegeversicherung und gegenüber Personen, denen Hilfe in Einrichtungen nach dem SGB XII gewährt worden ist. Der Ausschluss einer Sicherheitsleistung, setzte voraus, dass der Heimträger einen eigenen Zahlungsanspruch gegenüber Sozialleistungsträgern hatte und deshalb nicht auf Sicherheiten angewiesen war. Mit Einführung WBVG hat der Gesetzgeber diese Regelung inhaltlich beibehalten wollen. Auch Sinn und Zweck, einen Ausgleich zwischen dem Sicherungsbedürfnis des Unternehmers und dem Schutzbedürfnis des Verbrauchers zu schaffen, sprechen bei der streitgegenständlichen Konstellation der Kostenerstattung für das Ergebnis.
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