Zulässige Meinungsäußerung einer Stiftung
OLG Karlsruhe v. 23.6.2021 - 6 U 190/20
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Politiker und war von 2016 bis 2021 Mitglied des Landtags. Die Beklagte ist eine Stiftung bürgerlichen Rechts, deren Anliegen die Stärkung der demokratischen Zivilgesellschaft und der Kampf gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus ist. Sie betreibt unter anderem das Internetportal. Sie ist von der Bundeszentrale für politische Bildung als Träger der politischen Bildung anerkannt und finanziert sich überwiegend aus staatlichen Zuschüssen.
Der Kläger begehrte von der Beklagten, es zu unterlassen, in ihrem Internetportal zu äußern, er sei ein "erklärter Antisemit und Holocaust-Relativierer". Selbst wenn sich die Beklagte auf die Meinungsfreiheit berufen könnte, müsste diese im Rahmen der Interessenabwägung zurücktreten. Denn dem Kläger drohe durch die Äußerung nicht nur ein schwerer Ansehensverlust in seiner Funktion als Politiker, sondern dies wirke sich tiefgreifend auf das Leben des Klägers als Privatperson aus.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers vor dem OLG blieb erfolglos.
Die Gründe:
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Unterlassung weder nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog noch nach § 823 Abs. 1 BGB jeweils i.V.m. dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG zu. Zwar greift die Äußerung, beim Kläger handele es sich um einen "erklärten Antisemiten und Holocaust-Relativierer" in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht nach Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG, doch ist dieser Eingriff nicht rechtswidrig.
Die Beklagte kann sich in Bezug auf ihre Äußerung auf die Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG berufen. Eine Stiftung in privatrechtlicher Form ist weder aufgrund finanzieller Zuwendungen des Staates noch aufgrund ihrer Anerkennung als Einrichtung der politischen Bildung durch die Bundeszentrale für politische Bildung noch im Hinblick auf ihre staatlich anerkannte Gemeinnützigkeit daran gehindert, sich auf die Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG zu berufen.
Die schutzwürdigen Belange der Beklagten an der Äußerung überwiegen das Schutzinteresse des Klägers. Auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung handelt es sich bei der Äußerung im vorliegenden Fall um eine Meinungsäußerung und nicht um eine Formalbeleidigung oder bloße Schmähkritik, wobei der Meinungsfreiheit der Beklagten nach Art. 5 Abs. 1 GG im Rahmen der Abwägung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Klägers nach Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG der Vorrang zukommt. Die Äußerung, jemand sei ein "erklärter Antisemit und Holocaust-Relativierer" ist keine Tatsachenbehauptung, sondern eine Meinungsäußerung. Der substanzarme tatsächliche Gehalt dieser pauschalen Bezeichnung tritt hinter das Werturteil zurück.
Die Äußerung der Beklagten mag dem Grundsatz nach eine schwerwiegende Auswirkung auf das Persönlichkeitsrecht des Klägers darstellen. Insbesondere mag sie aufgrund der allgemeinen Ächtung des (offenen) Antisemitismus geeignet sein auch das Privatleben des Klägers zu beeinträchtigen. Umgekehrt betrifft aber der Gegenstand der Äußerung nicht nur eine für die Öffentlichkeit wesentliche Frage, sondern mit der Auseinandersetzung mit Antisemitismus und dem Holocaust darüber hinaus ein zentrales Thema der freiheitlich-demokratischen Grundordnung in Deutschland.
Eine Untersagung der Äußerung gerade im Bereich der Auseinandersetzung um politische Meinungen widerspräche dieser Staatsordnung. Für diese ist die Meinungsfreiheit nämlich schlechthin konstituierend, denn sie ermöglicht erst die ständige geistige Auseinandersetzung, den Kampf der Meinungen, der ihr Lebenselement ist. Das Grundgesetz vertraut auf die Kraft der freien Auseinandersetzung als wirksamste Waffe auch gegen die Verbreitung totalitärer und menschenverachtender Ideologien. So schwer die Beeinträchtigung des Klägers durch die Äußerung der Beklagten auch sein mag, so schützenswert ist der Meinungskampf gerade in Bezug auf die Auseinandersetzung mit Antisemitismus und dem Holocaust.
Landesrechtsprechung Baden-Württemberg
Der Kläger ist Politiker und war von 2016 bis 2021 Mitglied des Landtags. Die Beklagte ist eine Stiftung bürgerlichen Rechts, deren Anliegen die Stärkung der demokratischen Zivilgesellschaft und der Kampf gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus ist. Sie betreibt unter anderem das Internetportal. Sie ist von der Bundeszentrale für politische Bildung als Träger der politischen Bildung anerkannt und finanziert sich überwiegend aus staatlichen Zuschüssen.
Der Kläger begehrte von der Beklagten, es zu unterlassen, in ihrem Internetportal zu äußern, er sei ein "erklärter Antisemit und Holocaust-Relativierer". Selbst wenn sich die Beklagte auf die Meinungsfreiheit berufen könnte, müsste diese im Rahmen der Interessenabwägung zurücktreten. Denn dem Kläger drohe durch die Äußerung nicht nur ein schwerer Ansehensverlust in seiner Funktion als Politiker, sondern dies wirke sich tiefgreifend auf das Leben des Klägers als Privatperson aus.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers vor dem OLG blieb erfolglos.
Die Gründe:
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Unterlassung weder nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog noch nach § 823 Abs. 1 BGB jeweils i.V.m. dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG zu. Zwar greift die Äußerung, beim Kläger handele es sich um einen "erklärten Antisemiten und Holocaust-Relativierer" in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht nach Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG, doch ist dieser Eingriff nicht rechtswidrig.
Die Beklagte kann sich in Bezug auf ihre Äußerung auf die Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG berufen. Eine Stiftung in privatrechtlicher Form ist weder aufgrund finanzieller Zuwendungen des Staates noch aufgrund ihrer Anerkennung als Einrichtung der politischen Bildung durch die Bundeszentrale für politische Bildung noch im Hinblick auf ihre staatlich anerkannte Gemeinnützigkeit daran gehindert, sich auf die Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG zu berufen.
Die schutzwürdigen Belange der Beklagten an der Äußerung überwiegen das Schutzinteresse des Klägers. Auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung handelt es sich bei der Äußerung im vorliegenden Fall um eine Meinungsäußerung und nicht um eine Formalbeleidigung oder bloße Schmähkritik, wobei der Meinungsfreiheit der Beklagten nach Art. 5 Abs. 1 GG im Rahmen der Abwägung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Klägers nach Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG der Vorrang zukommt. Die Äußerung, jemand sei ein "erklärter Antisemit und Holocaust-Relativierer" ist keine Tatsachenbehauptung, sondern eine Meinungsäußerung. Der substanzarme tatsächliche Gehalt dieser pauschalen Bezeichnung tritt hinter das Werturteil zurück.
Die Äußerung der Beklagten mag dem Grundsatz nach eine schwerwiegende Auswirkung auf das Persönlichkeitsrecht des Klägers darstellen. Insbesondere mag sie aufgrund der allgemeinen Ächtung des (offenen) Antisemitismus geeignet sein auch das Privatleben des Klägers zu beeinträchtigen. Umgekehrt betrifft aber der Gegenstand der Äußerung nicht nur eine für die Öffentlichkeit wesentliche Frage, sondern mit der Auseinandersetzung mit Antisemitismus und dem Holocaust darüber hinaus ein zentrales Thema der freiheitlich-demokratischen Grundordnung in Deutschland.
Eine Untersagung der Äußerung gerade im Bereich der Auseinandersetzung um politische Meinungen widerspräche dieser Staatsordnung. Für diese ist die Meinungsfreiheit nämlich schlechthin konstituierend, denn sie ermöglicht erst die ständige geistige Auseinandersetzung, den Kampf der Meinungen, der ihr Lebenselement ist. Das Grundgesetz vertraut auf die Kraft der freien Auseinandersetzung als wirksamste Waffe auch gegen die Verbreitung totalitärer und menschenverachtender Ideologien. So schwer die Beeinträchtigung des Klägers durch die Äußerung der Beklagten auch sein mag, so schützenswert ist der Meinungskampf gerade in Bezug auf die Auseinandersetzung mit Antisemitismus und dem Holocaust.