Zum Unterhaltsanspruch bei überobligatorischer Erwerbstätigkeit
BGH 1.10.2014, XII ZB 185/13Die Ehe der Antragsgegnerin und des Antragsstellers war im Juni 2011 nach knapp neun Jahre geschieden worden. Die Antragsgegnerin zog im Laufe der Trennung mit den beiden minderjährigen Töchtern aus dem gemeinsamen Haus.
Der Antragsteller ist angestellter Architekt. Er ist seit Juli 2012 Vater einer weiteren Tochter. Die Mutter dieses Kindes war vor dessen Geburt berufstätig und bezog bis Juli 2013 Elterngeld. Die Antragsgegnerin ist gelernte Einzelhandelskauffrau. Nach einer während des Trennungsjahres ausgeübten geringfügigen Beschäftigung arbeitet sie seit Juni 2011 vollschichtig im Außendienst. Die Kinder besuchen nach der Schule eine offene Ganztagseinrichtung und werden anschließend von der Großmutter mütterlicherseits betreut. Diese erhält hierfür ein Entgelt.
Das AG hatte seinerzeit die Ehe geschieden, den Versorgungsausgleich durchgeführt und den Antragsteller zur Zahlung nachehelichen Unterhalts i.H.v. monatlich 861 € bis Ende Juni 2015 verpflichtet. Auf die Beschwerden beider Ehegatten änderte das OLG den Verbundbeschluss hinsichtlich des nachehelichen Unterhalts teilweise ab und verpflichtete den Antragsteller zeitlich gestaffelt zur Zahlung von Unterhalt in unterschiedlicher Höhe. Für die noch streitgegenständliche Zeit von Juli 2013 bis Juni 2015 i.H.v. monatlich rund 228 €.
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin hob der BGH den Beschluss des OLG auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Gründe:
Zwar war das OLG zu Recht davon ausgegangen, dass der Unterhaltsanspruch der Mutter des dritten Kindes im Rahmen der Beurteilung der Leistungsfähigkeit vor der Berechnung des Unterhaltsanspruchs der Antragsgegnerin von dem Einkommen des Antragstellers in Abzug zu bringen wäre, wenn die Mutter dieses Kindes im Rang vorgehen würde. Einen solchen Vorrang hatte das Beschwerdegericht jedoch nicht rechtsfehlerfrei festgestellt.
Sind mehrere Unterhaltsberechtigte vorhanden und ist der Unterhaltspflichtige außerstande, allen Unterhalt zu gewähren, so stehen im zweiten Rang nach minderjährigen unverheirateten Kindern und Kindern i.S.v. § 1603 Abs. 2 S. 2 BGB, denen der erste Rang gebührt u.a. Elternteile, die wegen der Betreuung eines Kindes unterhaltsberechtigt sind oder im Fall einer Scheidung wären. Maßgebend für die Frage des unterhaltsrechtlichen Rangs der Antragsgegnerin ist danach, ob ihr Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB zusteht. Allein aus dem Umfang einer tatsächlich ausgeübten Erwerbstätigkeit kann nicht geschlossen werden, dass ein Erwerbshindernis in Form der Kinderbetreuung nicht besteht. Wenn der betreuende Ehegatte etwa vollschichtig erwerbstätig ist, obwohl kind- oder elternbezogene Gründe vorliegen, die einen fortdauernden Unterhaltsanspruch rechtfertigen würden, ist die Tätigkeit als überobligationsmäßig zu bewerten.
Das Beschwerdegericht hatte sich jedoch im Hinblick auf seine hiervon abweichende Auffassung nicht die Frage vorgelegt, ob die vollschichtige Erwerbstätigkeit der Antragsgegnerin als überobligationsmäßig zu bewerten ist. Es konnte insofern nicht ausgeschlossen werden, dass der Antragsgegnerin weiterhin Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB zusteht. Ihr Unterhaltsanspruch beruht zwar möglicherweise nur zum Teil, nämlich soweit ihre vollschichtige Tätigkeit wegen der Kinderbetreuung gegebenenfalls überobligationsmäßig ist, auf § 1570 BGB und im Übrigen als Aufstockungsunterhalt auf § 1573 Abs. 2 BGB. Das führt jedoch nicht dazu, dass die jeweiligen Teilansprüche verschiedenen Rangstufen zuzuordnen wären, also der Teilanspruch auf Betreuungsunterhalt dem zweiten Rang und ein eventueller Aufstockungsunterhaltsanspruch dem dritten Rang. Hierfür findet sich im Gesetzeswortlaut kein Anhaltspunkt.
Die Formulierung in § 1609 Nr. 2 BGB "Elternteile, die wegen der Betreuung eines Kindes unterhaltsberechtigt sind" stellt allein auf die Person des Unterhaltsberechtigten ab. Daraus kann geschlossen werden, dass ohne Rücksicht darauf, ob der Unterhaltsanspruch des betreuenden Elternteils allein auf der Kinderbetreuung oder zusätzlich auf einem anderen Unterhaltstatbestand beruht, der Gesamtunterhaltsanspruch so lange in den zweiten Rang fällt, wie noch Betreuungsunterhalt verlangt werden kann. Danach kommt es für die Höhe des Unterhaltsanspruchs der Antragsgegnerin maßgeblich darauf an, ob sie noch einen Anspruch auf Betreuungsunterhalt hat. Sofern das der Fall ist, steht sie nach § 1609 Nr. 2 BGB mit der Mutter des nichtehelichen Kindes in demselben unterhaltsrechtlichen Rang, was sich auf die Höhe des Unterhaltsanspruchs auswirkt.
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