06.09.2024

Zur Abgrenzung von sonstigen Familiensachen zu allgemeinen Zivilsachen

Auch der Meistbegünstigungsgrundsatz kann eine Statthaftigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nicht begründen. Der Meistbegünstigungsgrundsatz vermag keine Erweiterung des gesetzlichen Rechtsmittelzuges zu rechtfertigen. Das der tatsächlichen (inkorrekten) Entscheidungsform entsprechende Rechtsmittel ist folglich nur dann statthaft, wenn gegen eine formell richtige Entscheidung ein Rechtsmittel gegeben wäre (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 21.2.2024 - XII ZR 41/22).

BGH v. 10.7.2024 - XII ZR 63/23
Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin ist die geschiedene Ehefrau des Antragsgegners. Die Ehe ist seit 2014 geschieden. Während der Ehe hatten die Ehegatten zu hälftigem Miteigentum ein bebautes Grundstück zur landwirtschaftlichen Nutzung erworben, das in erster Linie dem Landwirtschaftsbetrieb des Antragsgegners diente. Zuletzt lasteten auf dem Grundstück zur Absicherung verschiedene Bankkredite, für die auch die Antragstellerin haftete, Grundschulden i.H.v. insgesamt 210.000 €.

Nach ihrer Trennung im Jahr 2009 verkauften die Beteiligten im Juni 2010 das Grundstück für 120.000 €. Mit dem Verkaufserlös wurden die gemeinschaftlichen Verbindlichkeiten vollständig abgelöst. Die Antragstellerin wurde aus der Mithaftung und aus einer übernommenen Bürgschaft entlassen.

Die Antragstellerin behauptete später, dass sie zwar mit dem Verkauf zur Entschuldung einverstanden gewesen sei, aber darauf bestanden habe, "ihren" Erlösanteil von 60.000 € zu einem späteren Zeitpunkt vom Antragsgegner ausgezahlt zu erhalten. Einstweilen solle der Betrag als Darlehen gewährt werden. Nachdem sie vom Finanzamt aufgefordert wurde, Steuern auf ihren Anteil am Gewinn aus dem Grundstücksverkauf zu zahlen, kündigte sie mit Schreiben vom 27.1.2021 den von ihr behaupteten Darlehensvertrag zum 30.4.2021.

LG und OLG gaben der Klage auf Zahlung der 60.000 € statt. Der BGH hat die Beschwerde des Antraggegners gegen die Nichtzulassung verworfen.

Gründe:
Die Beschwerde ist nicht statthaft. Die Vorinstanzen haben die Sache zuUnrecht als allgemeine Zivilsache und nicht als Familiensache behandelt. In Familiensachen ist ein Rechtsmittel gegen die zweitinstanzliche Entscheidung nur gegeben, wenn es - was hier nicht der Fall ist - in dieser Entscheidung zugelassen worden ist (§ 70 Abs. 1 FamFG). Eine Nichtzulassungsbeschwerde sieht das Gesetz nicht vor. Bei dem bisher als allgemeine Zivilsache behandelten Verfahren handelt es sich um eine sonstige Familiensache nach § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG.

Mit § 266 FamFG hat der Gesetzgeber den Zuständigkeitsbereich der Familiengerichte deutlich erweitert ("Großes Familiengericht"). Damit sollten bestimmte Zivilrechtsstreitigkeiten, die eine besondere Nähe zu familienrechtlich geregelten Rechtsverhältnissen aufweisen oder die in engem Zusammenhang mit der Auflösung eines solchen Rechtsverhältnisses stehen, ebenfalls Familiensachen werden. Ordnungskriterium dabei ist nach der Gesetzesbegründung allein die Sachnähe des Familiengerichts zum Verfahrensgegenstand.

Für die Prüfung, ob der zur Entscheidung anstehende Verfahrensgegen-stand eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit oder eine Familiensache i.S.d. § 17 a Abs. 6 GVG darstellt, kommt es nicht allein auf den Vortrag der Klägerseite, sondern ebenfalls auf das Verteidigungsvorbringen der Gegenseite an (Senatsbeschluss vom 28.2.2018 - XII ZR 87/17 - FamRZ 2018, 839 Rn. 10 mwN). Gemessen daran ist hier vom Vorliegen einer sonstigen Familiensache i.S.d. § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG auszugehen, weil der notwendige Zusammenhang zur Trennung und Scheidung der Beteiligten besteht.

Auch der Meistbegünstigungsgrundsatz kann eine Statthaftigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nicht begründen. Der Meistbegünstigungsgrundsatz vermag keine Erweiterung des gesetzlichen Rechtsmittelzuges zu rechtfertigen. Das der tatsächlichen (inkorrekten) Entscheidungsform entsprechende Rechtsmittel ist folglich nur dann statthaft, wenn gegen eine formell richtige Entscheidung ein Rechtsmittel gegeben wäre (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 21.2.2024 - XII ZR 41/22).

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