Zur Anweisung an einen gerichtlich bestellten Sachverständigen auf Vornahme einer Bauteilöffnung
BGH v. 23.9.2020 - IV ZR 88/19
Der Sachverhalt:
Die Klägerin nahm den beklagten Wohngebäudeversicherer auf Versicherungsleistungen nach einem Hochwaser-Ereignis im Juni 2013 in Anspruch. Die Klägerin behauptete, ihr Haus sei durch das Hochwasser am Fundament zerstört worden. Die Versicherung wandte ein, dass die entstandenen Schäden auch durch Reparaturen zu beseitigen waren, für welche sie die Kosten übernommen habe.
Das LG beauftragte eine Sachverständige, die zur Schadensermittlung eine Öffnung des Fundaments für notwendig hielt. Durch eine solche Öffnung des Fundaments bestehe jedoch ein Risiko von Schäden am Gebäude, für die sie keine Haftung übernehmen könne. Das Öffnen von Bauteilen könne nur auf alleinige Gefahr der beweisführenden Partei geschehen. Daraufhin lehnte die Klägerin eine solche Untersuchung des Fundaments ab.
Das LG wies sodann die Klage auf Versicherungsleistungen überwiegend ab. Die dagegen gerichtete Berufung vor dem OLG hatte ebenfalls keinen Erfolg. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf weitergehende Versicherungsleistungen. Eine Zerstörung des Hauses könne nur dann angenomen werden, wenn eine Reparatur technisch nicht möglich oder wirtschaftlich unvertretbar sei. Beides habe die Klägerin nicht bewiesen.
Der BGH hat nun auch die Revision der Klägerin zurückgewiesen.
Die Gründe:
Die Klägerin kann nicht die Kosten der Wiederherstellung des Gebäudes verlangen, da die Voraussetzungen des § 27 Ziffer 1 a) VGB 2002 nicht vorliegen. Soweit sie eine Zerstörung des Gebäudes aufgrund der Beschädigung des Fundaments infolge Hochwassereintritts zwischen der sog. schwarzen Wanne und dem aus Beton bestehenden Fundament behauptet hat, ist sie hierfür beweisfällig geblieben.
Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht die Klägerin als beweisfällig angesehen, nachdem diese die für eine weitergehende Begutachtung durch die Sachverständige notwendige Bauteilöffnung nicht vorgenommen hat; revisionsrechtlich unbedenklich hat es insoweit davon abgesehen, die Sachverständige zur Vornahme der Bauteilöffnung anzuweisen.
Soweit das Berufungsgericht zu der Auffassung gelangt ist, die Klägerin habe den ihr obliegenden Beweis einer Zerstörung des Gebäudes durch eine hochwasserbedingte Beschädigung des Fundaments nicht geführt, ist auch das aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Insoweit durfte sich das Berufungsgericht gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die auf Grundlage des gerichtlichen Sachverständigengutachtens getroffenen tatsächlichen Feststellungen des LG gebunden sehen. Nach dieser Vorschrift hat das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszugs festgestellten Tatsachen zu Grunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten.
Derartige konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der vom Landgericht festgestellten Tatsachen bestanden nicht.
Keinen Bedenken begegnen insbesondere die vom Berufungsgericht gebilligten Feststellungen des LG zu der von der Sachverständigen für eine eingehende Untersuchung des Fundaments für erforderlich erachteten, tatsächlich aber nicht durchgeführten Bauteilöffnung. Entgegen der Auffassung der Revision waren die Vorinstanzen auch im Rahmen eines ihnen nach § 404a Abs. 1, Abs. 4 ZPO etwa eingeräumten Ermessens nicht zu einer entsprechenden Weisung an die Sachverständige verpflichtet.
Allerdings hat das Gericht gem. § 404a Abs. 1, Abs. 4 ZPO von Amts wegen die Pflicht, die Tätigkeit des Sachverständigen zu leiten und ihm in diesem Rahmen gegebenenfalls für Art und Umfang seiner Tätigkeit Weisungen zu erteilen. Damit ist klargestellt, dass der Gutachter Gehilfe des Gerichts ist und ihm vom Gericht vorgegeben werden kann, was rechtlich bedeutsam ist. Das gerichtliche Weisungsrecht umfasst damit grundsätzlich auch die zur Beantwortung der Beweisfrage erforderlichen Maßnahmen, die der Begutachtung selbst oder deren Vorbereitung dienen und der Sachkunde des gerichtlich bestellten Gutachters bedürfen, sowie Weisungen zur Art und Weise des bei der Untersuchung des Beweisgegenstands gebotenen Vorgehens.
Ob dieses grundsätzliche Weisungsrecht des Gerichts danach auch die Befugnis umfasst, einen Sachverständigen speziell zur Vornahme einer Bauteilöffnung anzuweisen, soweit diese für die Begutachtung erforderlich ist, kann im Streitfall allerdings offenbleiben. Denn selbst wenn man dieses annimmt, so ist die von Amts wegen zu treffende Entscheidung darüber, ob das Gericht dem Sachverständigen nach den konkreten Umständen des Einzelfalls eine Weisung gemäß § 404a Abs. 1, Abs. 4 ZPO zur Durchführung einer für die Begutachtung erforderlichen Maßnahme - hier die einer Bauteilöffnung - erteilt, dann jedenfalls in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt (vgl. BGH v. 15.1.2020 - VII ZB 96/17).
Ein ihm etwa zustehendes Ermessen aber hat das Berufungsgericht mit der Ablehnung, im Streitfall eine Weisung an die Sachverständige zu erteilen, jedenfalls rechtsfehlerfrei ausgeübt.
Dabei ist die Handhabung des nach § 404a Abs. 1, Abs. 4 ZPO eingeräumten Ermessens im Revisionsverfahren nur daraufhin überprüfbar, ob das Gericht die Notwendigkeit zur Ausübung seines Ermessens verkannt oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat. Derartige Ermessensfehler liegen im Streitfall nicht vor.
Dass es im Streitfall den mit der Bauteilöffnung des Hausfundaments verbundenen besonderen Gefahren und daraus resultierenden Haftungsrisiken für die Sachverständige ausschlaggebendes Gewicht gegen die Erteilung einer Weisung nach § 404a Abs. 1, Abs. 4 ZPO beigemessen hat, hält sich im Rahmen des ihm etwa eingeräumten Ermessens.
Zu einer Bauteilöffnung unter Eingehung unkalkulierbarer (Haftungs-)Risiken braucht das Gericht einen Sachverständigen nicht anzuweisen. Auf der anderen Seite hat das Berufungsgericht auch rechtsfehlerfrei berücksichtigt, dass das Unterbleiben einer Weisung nach § 404a Abs. 1, Abs. 4 ZPO die Klägerin nicht von vornherein in Beweisnot bringt, da sie unter den Umständen des Streitfalls die Öffnung des Fundaments selbst hätte veranlassen können.
BGH online
Die Klägerin nahm den beklagten Wohngebäudeversicherer auf Versicherungsleistungen nach einem Hochwaser-Ereignis im Juni 2013 in Anspruch. Die Klägerin behauptete, ihr Haus sei durch das Hochwasser am Fundament zerstört worden. Die Versicherung wandte ein, dass die entstandenen Schäden auch durch Reparaturen zu beseitigen waren, für welche sie die Kosten übernommen habe.
Das LG beauftragte eine Sachverständige, die zur Schadensermittlung eine Öffnung des Fundaments für notwendig hielt. Durch eine solche Öffnung des Fundaments bestehe jedoch ein Risiko von Schäden am Gebäude, für die sie keine Haftung übernehmen könne. Das Öffnen von Bauteilen könne nur auf alleinige Gefahr der beweisführenden Partei geschehen. Daraufhin lehnte die Klägerin eine solche Untersuchung des Fundaments ab.
Das LG wies sodann die Klage auf Versicherungsleistungen überwiegend ab. Die dagegen gerichtete Berufung vor dem OLG hatte ebenfalls keinen Erfolg. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf weitergehende Versicherungsleistungen. Eine Zerstörung des Hauses könne nur dann angenomen werden, wenn eine Reparatur technisch nicht möglich oder wirtschaftlich unvertretbar sei. Beides habe die Klägerin nicht bewiesen.
Der BGH hat nun auch die Revision der Klägerin zurückgewiesen.
Die Gründe:
Die Klägerin kann nicht die Kosten der Wiederherstellung des Gebäudes verlangen, da die Voraussetzungen des § 27 Ziffer 1 a) VGB 2002 nicht vorliegen. Soweit sie eine Zerstörung des Gebäudes aufgrund der Beschädigung des Fundaments infolge Hochwassereintritts zwischen der sog. schwarzen Wanne und dem aus Beton bestehenden Fundament behauptet hat, ist sie hierfür beweisfällig geblieben.
Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht die Klägerin als beweisfällig angesehen, nachdem diese die für eine weitergehende Begutachtung durch die Sachverständige notwendige Bauteilöffnung nicht vorgenommen hat; revisionsrechtlich unbedenklich hat es insoweit davon abgesehen, die Sachverständige zur Vornahme der Bauteilöffnung anzuweisen.
Soweit das Berufungsgericht zu der Auffassung gelangt ist, die Klägerin habe den ihr obliegenden Beweis einer Zerstörung des Gebäudes durch eine hochwasserbedingte Beschädigung des Fundaments nicht geführt, ist auch das aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Insoweit durfte sich das Berufungsgericht gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die auf Grundlage des gerichtlichen Sachverständigengutachtens getroffenen tatsächlichen Feststellungen des LG gebunden sehen. Nach dieser Vorschrift hat das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszugs festgestellten Tatsachen zu Grunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten.
Derartige konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der vom Landgericht festgestellten Tatsachen bestanden nicht.
Keinen Bedenken begegnen insbesondere die vom Berufungsgericht gebilligten Feststellungen des LG zu der von der Sachverständigen für eine eingehende Untersuchung des Fundaments für erforderlich erachteten, tatsächlich aber nicht durchgeführten Bauteilöffnung. Entgegen der Auffassung der Revision waren die Vorinstanzen auch im Rahmen eines ihnen nach § 404a Abs. 1, Abs. 4 ZPO etwa eingeräumten Ermessens nicht zu einer entsprechenden Weisung an die Sachverständige verpflichtet.
Allerdings hat das Gericht gem. § 404a Abs. 1, Abs. 4 ZPO von Amts wegen die Pflicht, die Tätigkeit des Sachverständigen zu leiten und ihm in diesem Rahmen gegebenenfalls für Art und Umfang seiner Tätigkeit Weisungen zu erteilen. Damit ist klargestellt, dass der Gutachter Gehilfe des Gerichts ist und ihm vom Gericht vorgegeben werden kann, was rechtlich bedeutsam ist. Das gerichtliche Weisungsrecht umfasst damit grundsätzlich auch die zur Beantwortung der Beweisfrage erforderlichen Maßnahmen, die der Begutachtung selbst oder deren Vorbereitung dienen und der Sachkunde des gerichtlich bestellten Gutachters bedürfen, sowie Weisungen zur Art und Weise des bei der Untersuchung des Beweisgegenstands gebotenen Vorgehens.
Ob dieses grundsätzliche Weisungsrecht des Gerichts danach auch die Befugnis umfasst, einen Sachverständigen speziell zur Vornahme einer Bauteilöffnung anzuweisen, soweit diese für die Begutachtung erforderlich ist, kann im Streitfall allerdings offenbleiben. Denn selbst wenn man dieses annimmt, so ist die von Amts wegen zu treffende Entscheidung darüber, ob das Gericht dem Sachverständigen nach den konkreten Umständen des Einzelfalls eine Weisung gemäß § 404a Abs. 1, Abs. 4 ZPO zur Durchführung einer für die Begutachtung erforderlichen Maßnahme - hier die einer Bauteilöffnung - erteilt, dann jedenfalls in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt (vgl. BGH v. 15.1.2020 - VII ZB 96/17).
Ein ihm etwa zustehendes Ermessen aber hat das Berufungsgericht mit der Ablehnung, im Streitfall eine Weisung an die Sachverständige zu erteilen, jedenfalls rechtsfehlerfrei ausgeübt.
Dabei ist die Handhabung des nach § 404a Abs. 1, Abs. 4 ZPO eingeräumten Ermessens im Revisionsverfahren nur daraufhin überprüfbar, ob das Gericht die Notwendigkeit zur Ausübung seines Ermessens verkannt oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat. Derartige Ermessensfehler liegen im Streitfall nicht vor.
Dass es im Streitfall den mit der Bauteilöffnung des Hausfundaments verbundenen besonderen Gefahren und daraus resultierenden Haftungsrisiken für die Sachverständige ausschlaggebendes Gewicht gegen die Erteilung einer Weisung nach § 404a Abs. 1, Abs. 4 ZPO beigemessen hat, hält sich im Rahmen des ihm etwa eingeräumten Ermessens.
Zu einer Bauteilöffnung unter Eingehung unkalkulierbarer (Haftungs-)Risiken braucht das Gericht einen Sachverständigen nicht anzuweisen. Auf der anderen Seite hat das Berufungsgericht auch rechtsfehlerfrei berücksichtigt, dass das Unterbleiben einer Weisung nach § 404a Abs. 1, Abs. 4 ZPO die Klägerin nicht von vornherein in Beweisnot bringt, da sie unter den Umständen des Streitfalls die Öffnung des Fundaments selbst hätte veranlassen können.