Zur Anwendung des § 31 VersAusglG
BGH v. 27.1.2021 - XII ZB 336/20
Der Sachverhalt:
Auf den im Mai 2014 zugestellten Antrag hat das Bezirksgericht Thalgau in Österreich die am 1983 in Österreich geschlossene Ehe der dort wohnenden Antragstellerin (Ehefrau) rechtskräftig geschieden. Während der Ehezeit (Juli 1983 bis April 2014; § 3 Abs. 1 VersAusglG) hat der Ehemann, deutscher Staatsangehöriger, ein Anrecht in der inländischen gesetzlichen Rentenversicherung mit einem Ehezeitanteil von 16,7025 Entgeltpunkten bei einem Ausgleichswert von 8,3513 Entgeltpunkten und einem korrespondierenden Kapitalwert von rd. 55.000 € erworben, darüber hinaus ein inländisches betriebliches Anrecht in Form einer rückstellungsfinanzierten Direktzusage der Beteiligten zu 2) mit einem ehezeitlichen Kapitalwert von rd. 1,46 Mio. € und - nach Abzug von 500 € Teilungskosten - einem vorgeschlagenen Ausgleichswert von rd. 732.000 €. Die Ehefrau, die österreichische Staatsbürgerin ist, hat keine ehezeitlichen Anrechte erworben, auch nicht aufgrund von Versicherungszeiten in Österreich.
Seit Mai 2012 bezog der Ehemann laufende Rente auch aus dem bei der Beteiligten zu 2) bestehenden Anrecht, bis er im Juni 2015 verstarb und von den Antragsgegnerinnen beerbt wurde. Im Zeitpunkt des Todes betrug der ehezeitliche Kapitalwert rd. 1,5 Mio. € bei einem Ausgleichswert von rd. 750.000 € nach Teilungskostenabzug. Noch im selben Jahr begehrte die Ehefrau von der Beteiligten zu 2) die Auszahlung einer Hinterbliebenenrente, welche ihr jedoch im Hinblick auf die rechtskräftige Scheidung versagt blieb. Zum Jahresende 2015 löste die Beteiligte zu 2) die für das Anrecht gebildete handelsbilanzielle Rückstellung auf. Im November 2017 hat die Ehefrau beim Amtsgericht Schöneberg die nachträgliche Durchführung des Versorgungsausgleichs nach deutschem Recht beantragt.
Das AG - Familiengericht - hat beide vom Ehemann erworbenen Anrechte intern geteilt, darunter das bei der Beteiligten zu 2) bestehende Anrecht auf der Grundlage eines Kapitalwerts von rd. 1,46 Mio. €, bezogen auf den 30.4.2014 als Ehezeitende. Das KG wies die Beschwerde der Beteiligten zu 2) zurück. Die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 2) hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Wird eine Ehe im Ausland geschieden, ist gem. Art. 17 Abs. 4 Satz 2 EGBGB der Versorgungsausgleich auf Antrag eines Ehegatten nach deutschem Recht durchzuführen, wenn einer der Ehegatten in der Ehezeit ein Anrecht bei einem inländischen Versorgungsträger erworben hat, soweit die Durchführung des Versorgungsausgleichs insbesondere im Hinblick auf die beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse während der gesamten Ehezeit der Billigkeit nicht widerspricht. Auf dieser rechtlichen Grundlage ist der Versorgungsausgleich zutreffend durchgeführt worden.
Die Ehe der Antragstellerin und ihres früheren Ehemanns ist im Ausland rechtskräftig geschieden worden. Die in Österreich ausgesprochene Scheidung ist in den Mitgliedsstaaten der EU nach Art. 21 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 anzuerkennen, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf. Die Antragstellerin hat den Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs bei dem nach §§ 102 Nr. 2, 218 Nr. 5 FamFG zuständigen AG Schöneberg gestellt. Die Scheidung unterlag gem. Art. 8 lit. b der Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 dem österreichischen Recht als dem Recht des Staates, in dem die Ehegatten zuletzt ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, der nicht vor mehr als einem Jahr vor Anrufung des Bezirksgerichts Thalgau endete, und in dem die Ehefrau zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Dem folgend unterlag auch die Durchführung des Versorgungsausgleichs grundsätzlich dem österreichischen Recht. Da ein Versorgungsausgleich jedoch in Österreich nicht durchgeführt worden ist und der Ehemann in der Ehezeit Anrechte bei inländischen Versorgungsträgern erworben hat, ist der Versorgungsausgleich, sofern nicht unbillig, nachträglich nach deutschem Recht gem. Art. 17 Abs. 4 Satz 2 EGBGB durchzuführen.
Stirbt ein Ehegatte - wie hier - nach Rechtskraft der Ehescheidung, aber vor rechtskräftiger Entscheidung über den Wertausgleich nach den §§ 9 bis 19 VersAusglG, so ist das Recht des überlebenden Ehegatten auf Wertausgleich gegen die Erben geltend zu machen; die Erben haben ihrerseits kein Recht auf Wertausgleich (§ 31 Abs. 1 VersAusglG). Zwar darf der überlebende Ehegatte durch den Wertausgleich nicht bessergestellt werden, als wenn der Versorgungsausgleich durchgeführt worden wäre (§ 31 Abs. 2 Satz 1 VersAusglG). Eine Saldierung wechselseitiger Anrechte scheidet aber aus, wenn wie hier der antragstellende Ehegatte selbst keine ehezeitlichen Anwartschaften erworben hat. Die Anwendung des § 31 VersAusglG setzt nicht voraus, dass der Tod eines Ehegatten zu einem Zeitpunkt eintritt, zu dem das Verfahren über den Versorgungsausgleich bereits anhängig ist. Die Vorschrift knüpft vielmehr lediglich daran an, dass ein Ehegatte nach Rechtskraft der Scheidung, aber vor Rechtskraft der Entscheidung über den Wertausgleich stirbt.
Für die Durchführung des Versorgungsausgleichs werden die auszugleichenden Anrechte des Verstorbenen, welche an sich mit dem Eintritt des Todes erlöschen, als fortbestehend fingiert. Hierbei handelt es sich um eine gesetzliche Ausnahme von dem ansonsten geltenden Grundsatz, dass nur solche Anrechte ausgeglichen werden können, die im Zeitpunkt der letzten tatrichterlichen Entscheidung noch vorhanden sind. Das vormals begründete und nach dem Tod zu fingierende Anrecht besteht in der Versorgungszusage und den daraus erwachsenden Leistungsansprüchen selbst. Dabei ist grundsätzlich irrelevant, welcher Finanzierungsmittel sich der Versorgungsträger für die laufende oder spätere Erfüllung seines Versorgungsversprechens bedient (hat), denn hiervon hängt der rechtliche Bestand der Zusage nicht ab.
Ebenso kommt es für den rechtlichen Bestand einer Direktzusage nicht darauf an, ob der Versorgungsträger seiner handelsbilanziellen Pflicht nachgekommen ist, Rückstellungen in einer dem Vorsichtsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) entsprechenden Höhe zu bilden. Hat der Versorgungsträger keine Rückstellungen in der erforderlichen Höhe gebildet, bleibt er dennoch zur Leistung aus dem Versorgungsversprechen in der vollen zugesagten Höhe verpflichtet. Dasselbe gilt, wenn er eine vormals gebildete Rückstellung trotz Fortbestands der Versorgungsverpflichtung - und damit vorzeitig - auflöst. Die Auflösung der Rückstellung hat nur handelsbilanzielle Bedeutung in Form eines möglichen Verstoßes gegen die Passivierungspflicht, berührt aber den Bestand des Versorgungsanspruchs nicht, wie generell ein Verstoß gegen die Passivierungspflicht keine Auswirkung auf den Bestand der gegen das Unternehmen gerichteten Forderungen hat.
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Auf den im Mai 2014 zugestellten Antrag hat das Bezirksgericht Thalgau in Österreich die am 1983 in Österreich geschlossene Ehe der dort wohnenden Antragstellerin (Ehefrau) rechtskräftig geschieden. Während der Ehezeit (Juli 1983 bis April 2014; § 3 Abs. 1 VersAusglG) hat der Ehemann, deutscher Staatsangehöriger, ein Anrecht in der inländischen gesetzlichen Rentenversicherung mit einem Ehezeitanteil von 16,7025 Entgeltpunkten bei einem Ausgleichswert von 8,3513 Entgeltpunkten und einem korrespondierenden Kapitalwert von rd. 55.000 € erworben, darüber hinaus ein inländisches betriebliches Anrecht in Form einer rückstellungsfinanzierten Direktzusage der Beteiligten zu 2) mit einem ehezeitlichen Kapitalwert von rd. 1,46 Mio. € und - nach Abzug von 500 € Teilungskosten - einem vorgeschlagenen Ausgleichswert von rd. 732.000 €. Die Ehefrau, die österreichische Staatsbürgerin ist, hat keine ehezeitlichen Anrechte erworben, auch nicht aufgrund von Versicherungszeiten in Österreich.
Seit Mai 2012 bezog der Ehemann laufende Rente auch aus dem bei der Beteiligten zu 2) bestehenden Anrecht, bis er im Juni 2015 verstarb und von den Antragsgegnerinnen beerbt wurde. Im Zeitpunkt des Todes betrug der ehezeitliche Kapitalwert rd. 1,5 Mio. € bei einem Ausgleichswert von rd. 750.000 € nach Teilungskostenabzug. Noch im selben Jahr begehrte die Ehefrau von der Beteiligten zu 2) die Auszahlung einer Hinterbliebenenrente, welche ihr jedoch im Hinblick auf die rechtskräftige Scheidung versagt blieb. Zum Jahresende 2015 löste die Beteiligte zu 2) die für das Anrecht gebildete handelsbilanzielle Rückstellung auf. Im November 2017 hat die Ehefrau beim Amtsgericht Schöneberg die nachträgliche Durchführung des Versorgungsausgleichs nach deutschem Recht beantragt.
Das AG - Familiengericht - hat beide vom Ehemann erworbenen Anrechte intern geteilt, darunter das bei der Beteiligten zu 2) bestehende Anrecht auf der Grundlage eines Kapitalwerts von rd. 1,46 Mio. €, bezogen auf den 30.4.2014 als Ehezeitende. Das KG wies die Beschwerde der Beteiligten zu 2) zurück. Die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 2) hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Wird eine Ehe im Ausland geschieden, ist gem. Art. 17 Abs. 4 Satz 2 EGBGB der Versorgungsausgleich auf Antrag eines Ehegatten nach deutschem Recht durchzuführen, wenn einer der Ehegatten in der Ehezeit ein Anrecht bei einem inländischen Versorgungsträger erworben hat, soweit die Durchführung des Versorgungsausgleichs insbesondere im Hinblick auf die beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse während der gesamten Ehezeit der Billigkeit nicht widerspricht. Auf dieser rechtlichen Grundlage ist der Versorgungsausgleich zutreffend durchgeführt worden.
Die Ehe der Antragstellerin und ihres früheren Ehemanns ist im Ausland rechtskräftig geschieden worden. Die in Österreich ausgesprochene Scheidung ist in den Mitgliedsstaaten der EU nach Art. 21 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 anzuerkennen, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf. Die Antragstellerin hat den Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs bei dem nach §§ 102 Nr. 2, 218 Nr. 5 FamFG zuständigen AG Schöneberg gestellt. Die Scheidung unterlag gem. Art. 8 lit. b der Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 dem österreichischen Recht als dem Recht des Staates, in dem die Ehegatten zuletzt ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, der nicht vor mehr als einem Jahr vor Anrufung des Bezirksgerichts Thalgau endete, und in dem die Ehefrau zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Dem folgend unterlag auch die Durchführung des Versorgungsausgleichs grundsätzlich dem österreichischen Recht. Da ein Versorgungsausgleich jedoch in Österreich nicht durchgeführt worden ist und der Ehemann in der Ehezeit Anrechte bei inländischen Versorgungsträgern erworben hat, ist der Versorgungsausgleich, sofern nicht unbillig, nachträglich nach deutschem Recht gem. Art. 17 Abs. 4 Satz 2 EGBGB durchzuführen.
Stirbt ein Ehegatte - wie hier - nach Rechtskraft der Ehescheidung, aber vor rechtskräftiger Entscheidung über den Wertausgleich nach den §§ 9 bis 19 VersAusglG, so ist das Recht des überlebenden Ehegatten auf Wertausgleich gegen die Erben geltend zu machen; die Erben haben ihrerseits kein Recht auf Wertausgleich (§ 31 Abs. 1 VersAusglG). Zwar darf der überlebende Ehegatte durch den Wertausgleich nicht bessergestellt werden, als wenn der Versorgungsausgleich durchgeführt worden wäre (§ 31 Abs. 2 Satz 1 VersAusglG). Eine Saldierung wechselseitiger Anrechte scheidet aber aus, wenn wie hier der antragstellende Ehegatte selbst keine ehezeitlichen Anwartschaften erworben hat. Die Anwendung des § 31 VersAusglG setzt nicht voraus, dass der Tod eines Ehegatten zu einem Zeitpunkt eintritt, zu dem das Verfahren über den Versorgungsausgleich bereits anhängig ist. Die Vorschrift knüpft vielmehr lediglich daran an, dass ein Ehegatte nach Rechtskraft der Scheidung, aber vor Rechtskraft der Entscheidung über den Wertausgleich stirbt.
Für die Durchführung des Versorgungsausgleichs werden die auszugleichenden Anrechte des Verstorbenen, welche an sich mit dem Eintritt des Todes erlöschen, als fortbestehend fingiert. Hierbei handelt es sich um eine gesetzliche Ausnahme von dem ansonsten geltenden Grundsatz, dass nur solche Anrechte ausgeglichen werden können, die im Zeitpunkt der letzten tatrichterlichen Entscheidung noch vorhanden sind. Das vormals begründete und nach dem Tod zu fingierende Anrecht besteht in der Versorgungszusage und den daraus erwachsenden Leistungsansprüchen selbst. Dabei ist grundsätzlich irrelevant, welcher Finanzierungsmittel sich der Versorgungsträger für die laufende oder spätere Erfüllung seines Versorgungsversprechens bedient (hat), denn hiervon hängt der rechtliche Bestand der Zusage nicht ab.
Ebenso kommt es für den rechtlichen Bestand einer Direktzusage nicht darauf an, ob der Versorgungsträger seiner handelsbilanziellen Pflicht nachgekommen ist, Rückstellungen in einer dem Vorsichtsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) entsprechenden Höhe zu bilden. Hat der Versorgungsträger keine Rückstellungen in der erforderlichen Höhe gebildet, bleibt er dennoch zur Leistung aus dem Versorgungsversprechen in der vollen zugesagten Höhe verpflichtet. Dasselbe gilt, wenn er eine vormals gebildete Rückstellung trotz Fortbestands der Versorgungsverpflichtung - und damit vorzeitig - auflöst. Die Auflösung der Rückstellung hat nur handelsbilanzielle Bedeutung in Form eines möglichen Verstoßes gegen die Passivierungspflicht, berührt aber den Bestand des Versorgungsanspruchs nicht, wie generell ein Verstoß gegen die Passivierungspflicht keine Auswirkung auf den Bestand der gegen das Unternehmen gerichteten Forderungen hat.