Zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete durch Einholung eines Sachverständigengutachtens bei Vorliegen eines Mietspiegels
BGH v. 26.5.2021 - VIII ZR 93/20
Der Sachverhalt:
In dem in Berlin angesiedelten Rechtsstreit um ein Mieterhöhungsverlangen hatte das AG die Klage abgewiesen. Es hatte hierbei den Berliner Mietspiegel 2017 herangezogen. Auf die Berufung des Mieters gab das LG der Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete statt.
Der Vermieter beanstandete mit der Revision, dass das LG die Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete auf der Grundlage des eingeholten Sachverständigengutachtens anstatt unter der hier ebenfalls in Betracht kommenden Heranziehung des Berliner Mietspiegels 2017 bestimmt hat. Ferner wurde um den für die Bildung der ortsüblichen Vergleichsmiete maßgeblichen Stichtag gestritten.
Der BGH gab der Revision statt und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.
Die Gründe:
Die Revision ist schon deshalb begründet, weil das Berufungsurteil eine der Vorschrift des § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO genügende Darstellung der Urteilsgründe vermissen lässt. Für das weitere Verfahren ist jedoch auf Folgendes hinzuweisen:
Ein revisionsrechtlich beachtlicher Rechtsfehler liegt nicht bereits deshalb vor, weil das Berufungsgericht die ortsübliche Vergleichsmiete aufgrund eines - von der Klägerin beantragten - gerichtlichen Sachverständigengutachtens und nicht unter Heranziehung des als Tabellenspiegel ausgestalteten und mit einer Orientierungshilfe für die Spanneneinordnung versehenen Berliner Mietspiegels 2017 bestimmt hat. Die Gerichte sind grundsätzlich auch dann berechtigt, zur Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete ein von der beweisbelasteten Partei angebotenes Sachverständigengutachten einzuholen, wenn ein Mietspiegel vorliegt, der tabellarisch Mietspannen ausweist und zusätzlich eine Orientierungshilfe für die Spanneneinordnung enthält. Das gilt bei solchen Mietspiegeln nicht nur in den Fällen, in denen zwischen den Parteien Streit über die Voraussetzungen für das Eingreifen bzw. die Reichweite einer dem Mietspiegel ggf. zukommenden Vermutungs- oder Indizwirkung herrscht, sondern unabhängig davon i.d.R. auch dann, wenn die ortsübliche Vergleichsmiete unstreitig innerhalb der für das einschlägige Mietspiegelfeld ausgewiesenen Spanne liegt und deshalb lediglich die Einordnung der konkreten Einzelvergleichsmiete in diese Spanne einer Klärung bedarf.
Ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht hätte ein gerichtliches Sachverständigengutachten zur Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete nicht einholen dürfen, ohne zuvor die zwischen den Parteien streitige Frage geklärt zu haben, ob der Berliner Mietspiegel 2017 nach Maßgabe des § 558d Abs. 1 BGB als qualifizierter Mietspiegel anzusehen sei und deshalb die gesetzliche Vermutung des § 558d Abs. 3 BGB, auf die sich die Beklagte berufen hat, zum Tragen komme.
Nach ständiger Rechtsprechung darf die ortsübliche Vergleichsmiete im Prozess nur auf der Grundlage von Erkenntnisquellen bestimmt werden, die die tatsächlich und üblicherweise gezahlten Mieten für vergleichbare Wohnungen in einer für die freie tatrichterliche Überzeugungsbildung (§ 286 ZPO) hinreichenden Weise ermittelt haben. Dabei hat das Gericht in dem Fall, dass der (beweisbelastete) Vermieter die Qualifizierung des einschlägigen Mietspiegels i.S.d. § 558d Abs. 1 BGB hinreichend bestreitet, die Wahl, ob es sich seine richterliche Überzeugung von der Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete durch Einholung eines - vom Vermieter angebotenen - Sachverständigengutachtens verschafft oder zunächst Beweis über die Frage der Erstellung des Mietspiegels nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erhebt, um festzustellen, ob die Voraussetzungen für das Eingreifen der gesetzlichen Vermutung (§ 292 ZPO) des § 558d Abs. 3 BGB vorliegen.
Die Revision beanstandet jedoch mit Recht, dass das Berufungsgericht den für die Bildung der ortsüblichen Vergleichsmiete maßgeblichen Stichtag rechtsfehlerhaft bestimmt hat, indem es insoweit auf den Zeitpunkt abgestellt hat, ab dem die Beklagte die erhöhte Miete ggf. schuldete, anstatt auf denjenigen, an dem der Beklagten das Mieterhöhungsverlangen vom 20. Juli 2017 zugegangen ist.
Maßgebend für die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete ist der Zeitpunkt, zu dem das Erhöhungsverlangen dem Mieter zugeht und nicht der - vom Berufungsgericht zugrunde gelegte - Zeitpunkt, ab dem der Mieter die erhöhte Miete ggf. schuldet. Die nach § 558 Abs. 2 BGB a.F. maßgebliche Vierjahresfrist erstreckt sich demnach vom Zugang des Erhöhungsverlangens an vier Jahre zurück.
BGH online
In dem in Berlin angesiedelten Rechtsstreit um ein Mieterhöhungsverlangen hatte das AG die Klage abgewiesen. Es hatte hierbei den Berliner Mietspiegel 2017 herangezogen. Auf die Berufung des Mieters gab das LG der Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete statt.
Der Vermieter beanstandete mit der Revision, dass das LG die Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete auf der Grundlage des eingeholten Sachverständigengutachtens anstatt unter der hier ebenfalls in Betracht kommenden Heranziehung des Berliner Mietspiegels 2017 bestimmt hat. Ferner wurde um den für die Bildung der ortsüblichen Vergleichsmiete maßgeblichen Stichtag gestritten.
Der BGH gab der Revision statt und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.
Die Gründe:
Die Revision ist schon deshalb begründet, weil das Berufungsurteil eine der Vorschrift des § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO genügende Darstellung der Urteilsgründe vermissen lässt. Für das weitere Verfahren ist jedoch auf Folgendes hinzuweisen:
Ein revisionsrechtlich beachtlicher Rechtsfehler liegt nicht bereits deshalb vor, weil das Berufungsgericht die ortsübliche Vergleichsmiete aufgrund eines - von der Klägerin beantragten - gerichtlichen Sachverständigengutachtens und nicht unter Heranziehung des als Tabellenspiegel ausgestalteten und mit einer Orientierungshilfe für die Spanneneinordnung versehenen Berliner Mietspiegels 2017 bestimmt hat. Die Gerichte sind grundsätzlich auch dann berechtigt, zur Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete ein von der beweisbelasteten Partei angebotenes Sachverständigengutachten einzuholen, wenn ein Mietspiegel vorliegt, der tabellarisch Mietspannen ausweist und zusätzlich eine Orientierungshilfe für die Spanneneinordnung enthält. Das gilt bei solchen Mietspiegeln nicht nur in den Fällen, in denen zwischen den Parteien Streit über die Voraussetzungen für das Eingreifen bzw. die Reichweite einer dem Mietspiegel ggf. zukommenden Vermutungs- oder Indizwirkung herrscht, sondern unabhängig davon i.d.R. auch dann, wenn die ortsübliche Vergleichsmiete unstreitig innerhalb der für das einschlägige Mietspiegelfeld ausgewiesenen Spanne liegt und deshalb lediglich die Einordnung der konkreten Einzelvergleichsmiete in diese Spanne einer Klärung bedarf.
Ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht hätte ein gerichtliches Sachverständigengutachten zur Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete nicht einholen dürfen, ohne zuvor die zwischen den Parteien streitige Frage geklärt zu haben, ob der Berliner Mietspiegel 2017 nach Maßgabe des § 558d Abs. 1 BGB als qualifizierter Mietspiegel anzusehen sei und deshalb die gesetzliche Vermutung des § 558d Abs. 3 BGB, auf die sich die Beklagte berufen hat, zum Tragen komme.
Nach ständiger Rechtsprechung darf die ortsübliche Vergleichsmiete im Prozess nur auf der Grundlage von Erkenntnisquellen bestimmt werden, die die tatsächlich und üblicherweise gezahlten Mieten für vergleichbare Wohnungen in einer für die freie tatrichterliche Überzeugungsbildung (§ 286 ZPO) hinreichenden Weise ermittelt haben. Dabei hat das Gericht in dem Fall, dass der (beweisbelastete) Vermieter die Qualifizierung des einschlägigen Mietspiegels i.S.d. § 558d Abs. 1 BGB hinreichend bestreitet, die Wahl, ob es sich seine richterliche Überzeugung von der Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete durch Einholung eines - vom Vermieter angebotenen - Sachverständigengutachtens verschafft oder zunächst Beweis über die Frage der Erstellung des Mietspiegels nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erhebt, um festzustellen, ob die Voraussetzungen für das Eingreifen der gesetzlichen Vermutung (§ 292 ZPO) des § 558d Abs. 3 BGB vorliegen.
Die Revision beanstandet jedoch mit Recht, dass das Berufungsgericht den für die Bildung der ortsüblichen Vergleichsmiete maßgeblichen Stichtag rechtsfehlerhaft bestimmt hat, indem es insoweit auf den Zeitpunkt abgestellt hat, ab dem die Beklagte die erhöhte Miete ggf. schuldete, anstatt auf denjenigen, an dem der Beklagten das Mieterhöhungsverlangen vom 20. Juli 2017 zugegangen ist.
Maßgebend für die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete ist der Zeitpunkt, zu dem das Erhöhungsverlangen dem Mieter zugeht und nicht der - vom Berufungsgericht zugrunde gelegte - Zeitpunkt, ab dem der Mieter die erhöhte Miete ggf. schuldet. Die nach § 558 Abs. 2 BGB a.F. maßgebliche Vierjahresfrist erstreckt sich demnach vom Zugang des Erhöhungsverlangens an vier Jahre zurück.