Zur Verwaltungsbefugnis eines Testamentsvollstreckers
BGH 5.11.2014, IV ZR 104/14Die Klägerin ist Testamentsvollstreckerin über den Nachlass des E. Sie verlangte von den Beklagten im Wege der Stufenklage zunächst Auskunft über den Bestand des Nachlasses der im Jahr 2008 verstorbenen Mutter des Erblassers und der Beklagten. Diese hatte zuvor den Erblasser mit Testament aus dem Jahr 2003 enterbt. Die Beklagten sind ihre Erben.
Der E. hatte im Februar 2010 ein handschriftliches Testament verfasst, in dem er u.a. die Klägerin zu 1/4 als Erbin einsetzte. Ferner ordnete er Testamentsvollstreckung an und ernannte die Klägerin zur Testamentsvollstreckerin. Im März 2010 nahm sich der E. das Leben. Er war bereits mehrere Jahre psychisch labil. Der Klägerin wurde im August 2010 ein Testamentsvollstreckerzeugnis ohne gegenständliche Beschränkungen erteilt. Sie machte gegen die Beklagten den Pflichtteilsanspruch des Erblassers nach seiner Mutter geltend.
Die Beklagten beriefen sich darauf, dass die Klägerin als Testamentsvollstreckerin hierzu nicht befugt sei. Ferner habe der E. noch zu Lebzeiten auf die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs verzichtet. LG und OLG gaben der Klage durch Teilurteil bezüglich des Auskunftsanspruchs statt. Auch die Revision der Beklagten vor dem BGH blieb erfolglos.
Gründe:
Der Verwaltungsbefugnis des Testamentsvollstreckers unterliegt - vorbehaltlich einer abweichenden Bestimmung durch den Erblasser - auch ein in den Nachlass fallender Pflichtteilsanspruch. Der Pflichtteilsanspruch stellt keinen sonstigen Vermögensbestandteil dar, der zwar in den Nachlass fällt, infolge seiner Rechtsnatur aber nur von dem Erben und nicht vom Testamentsvollstrecker geltend gemacht werden kann. Derartige nicht unter die Verwaltungsbefugnis des Testamentsvollstreckers fallende Rechtspositionen stellen etwa der Anteil der Miterben am Nachlass als solchem, die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft oder die Anfechtung einer letztwilligen Verfügung gem. §§ 2078 ff. BGB dar.
Um eine vergleichbare Fallgestaltung geht es bei dem Pflichtteilsanspruch nicht. Er entspringt zwar einer engen familiären Beziehung zwischen dem Berechtigten und dem Erblasser. Es unterliegt daher grundsätzlich der freien Entscheidung des Pflichtteilsberechtigten, ob er einen ihm zustehenden Pflichtteil verlangen will oder nicht. Dies ändert aber nichts daran, dass der Pflichtteilsanspruch eine bloße Geldforderung i.S. eines Geldsummenanspruchs ist. Für diesen Anspruch gelten die Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts. Gründe dafür, warum nach dem Tod des Erblassers der Testamentsvollstrecker nicht befugt sein sollte, einen in den Nachlass fallenden Pflichtteilsanspruch geltend zu machen, sind nicht ersichtlich.
Nichts anderes ergibt sich auch aus der Systematik des Gesetzes. § 852 Abs. 1 ZPO etwa will lediglich die Vollstreckung von Gläubigern des Pflichtteilsberechtigten in seinen Pflichtteilsanspruch infolge seiner familiären Verbundenheit mit dem Erblasser verhindern. Um einen derartigen Zugriff außenstehender Dritter auf das Vermögen des Pflichtteilsberechtigten in Gestalt der Verwertung des Pflichtteilsanspruchs gegen seinen Willen geht es nach dem Tod des Erblassers aber nicht mehr. Auch aus einem Vergleich mit insolvenzrechtlichen Regelungen ergibt sich nicht, dass der Pflichtteilsanspruch nicht von dem Testamentsvollstrecker geltend gemacht werden könnte.
Linkhinweis:
- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BGH veröffentlicht.
- Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.